Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine stärkere Form der Stetigkeit. Sie leitet sich aus dem Epsilon-Delta-Kriterium der Stetigkeit ab und spielt insbesondere bei der Approximation von Funktionen eine wichtige Rolle.

Motivation

Wiederholung: Epsilon-Delta-Kriterium

Die gleichmäßige Stetigkeit baut auf dem Epsilon-Delta-Kriterium der Stetigkeit auf, weshalb wir dieses zunächst wiederholen:
Eine Funktion f:D\to \mathbb{R} mit D\subseteq \mathbb{R} ist genau dann stetig an der Stelle x_{0}\in D, wenn es zu jedem \epsilon >0 ein \delta >0 gibt, so dass |f(x)-f(x_{0})|<\epsilon für alle x\in D mit |x-x_{0}|<\delta erfüllt ist.
In jeden noch so kleinen Epsilon-Schlauch um f(x_{0}) liegen alle Funktionswerte einer hinreichend kleinen Umgebung um x_{0}. Ein Epsilon-Schlauch ist ein Bereich f(x_{0})-\epsilon bis f(x_{0})+\epsilon mit \epsilon >0 um f(x_{0}):
Eine Funktion f mit einem Epsilon-Schlauch um f(x_0) (Lukasstockner, Stephan Kulla: CC0)
Eine Funktion f:D\to \mathbb{R} ist genau dann an der Stelle x_{0}\in D stetig, wenn es für jeden noch so kleinen Epsilon-Schlauch ein \delta >0 gibt, so dass alle Funktionswerte von f im Bereich von x_{0}-\delta bis x_{0}+\delta in diesen Epsilon-Schlauch liegen:
Alle Funktionswerte von x_0-delta bis x_0+delta liegen im Epsilon-Schlauch um x_0 (Lukasstockner, Stephan Kulla: CC0)
Dieses \delta kann dabei sowohl von der vorgegebenen Funktion f, dem Wert \epsilon , als auch von der betrachteten Stelle x_{0} abhängen. Die nächste Grafik zeigt ein Beispiel, bei dem der gefundene \delta -Wert zwar für x_{0} klein genug, für x_{1} jedoch zu groß ist:
Der Wert für delta ist klein genug für x_0, jedoch zu groß für x_1. (Lukasstockner, Stephan Kulla, Sven Prüfer: CC BY-SA 4.0)
Daher müssen wir das \delta nahe dem Punkt x_{1} kleiner wählen und bezeichnen die \delta -Werte an den Punkten x_{0} und x_{1} entsprechend mit \delta _{0} und \delta _{1}. Wir sehen, dass das \delta in der Definition der Stetigkeit von der betrachteten Stelle x abhängen kann. Dies ist in nachfolgender Grafik illustriert:
Beide Intervallgrößen delta_1 und delta_2 sind genügend klein für das gegebene psilon gewählt. (Lukasstockner, Stephan Kulla, Sven Prüfer: CC BY-SA 4.0)

Herleitung der gleichmäßigen Stetigkeit

Das Epsilon-Delta-Kriterium garantiert uns so die Approximierbarkeit einer stetigen Funktion f:D\to \mathbb{R} . Für jeden Maximalfehler \epsilon >0 und jede betrachtete Stützstelle {\tilde x} finden wir ein \delta _{{{\tilde x}}}>0, so dass sich der Funktionswert f(x) für jedes Argument x im Deltabereich ({\tilde x}-\delta ,{\tilde x}+\delta ) von f({\tilde x}) um maximal \epsilon >0 unterscheidet. Für jedes Argument x mit {\tilde x}-\delta <x<{\tilde x}+\delta kann f({\tilde x}) als Annäherung von f(x) mit einem maximalen Fehler von \epsilon verwendet werden. Folgende Abbildung illustriert dies für einige eingezeichnete Stellen x_{i}:
Approximation einer stetigen Funktion an verschiedene Stellen. (Stephan Kulla: CC0)
Jedoch hängen die gefundenen \delta _{{{\tilde x}}}-Werte von der betrachteten Stelle {\tilde x} ab. Deswegen sind die Rechtecke in der obigen Grafik auch unterschiedlich groß. Um eine gleichmäßigere Approximation zu erhalten, können wir zusätzlich fordern, dass alle Rechtecke in der Approximation gleich groß sein sollen. D.h. der \delta _{{{\tilde x}}}-Wert soll für jedes {\tilde x} gleich sein. Obige Abbildung sähe dann wie folgt aus:
Gleichmäßige Approximation einer stetigen Funktion. (Stephan Kulla: CC0)
Dies ist die Kernidee der gleichmäßigen Stetigkeit. Bei ihr findet man für ein vorgegebenes \epsilon >0 ein globales \delta >0, so dass egal welche Stelle {\tilde x}\in D man betrachtet, jeder Funktionswert f(x) aus dem Delta-Bereich ({\tilde x}-\delta ,{\tilde x}+\delta ) einen Abstand kleiner als \epsilon von f({\tilde x}) besitzt. Damit erhalten wir folgende Definition der gleichmäßigen Stetigkeit einer Funktion f:D\to \mathbb{R} , welche eine gleichmäßige Approximierbarkeit ermöglicht:
Für jedes \epsilon >0 existiert ein \delta >0 (unabhängig von der Stelle {\tilde x}), so dass für jede Stelle {\tilde x}\in D und jedes Argument x\in D mit |x-{\tilde x}|<\delta die Ungleichung |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon erfüllt ist.

Definition

Definition der gleichmäßigen Stetigkeit

Damit können wir die formale Definition der gleichmäßigen Stetigkeit wie folgt aufschreiben:
Definition: Gleichmäßige Stetigkeit
Eine Funktion f:D\to \mathbb{R} ist gleichmäßig stetig auf D, falls zu jedem \epsilon >0 ein \delta >0 existiert, so dass sich für alle Stellen {\tilde x}\in D und für alle Argumente x\in D mit einem Abstand kleiner als \delta von {\tilde x} die Funktionswerte f(x) und f({\tilde x}) um weniger als \epsilon unterscheiden. In Quantorenschreibweise lautet die Definition der gleichmäßigen Stetigkeit:
\forall \epsilon >0\,\exists \delta >0\,\forall {\tilde x}\in D\,\forall x\in D:|x-{\tilde x}|<\delta \implies |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon
Anders formuliert heißt dies, dass es zu jedem \epsilon >0 ein \delta >0 gibt, so dass alle Paare x,{\tilde x}\in D mit |x-{\tilde x}|<\delta die Ungleichung |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon erfüllen.

Quantorenschreibweise

Die kommentierte Variante der Quantorenschreibweise lautet:
{\begin{aligned}&\underbrace {{\underset {}{}}\forall \epsilon >0}_{{{\text{Für alle }}\epsilon >0}}\underbrace {{\underset {}{}}\exists \delta >0}_{{{\text{ gibt es ein }}\delta >0}}\underbrace {{\underset {}{}}\forall {\tilde x}\in D}_{{{\text{, so dass für alle Stützstellen }}{\tilde x}\in D}}\underbrace {{\underset {}{}}\forall x\in D}_{{{\text{ und für alle }}x\in D}}\\[0.5em]&\qquad \underbrace {{\underset {}{}}|x-{\tilde x}|<\delta }_{{{\text{ mit Abstand von }}{\tilde x}{\text{ kleiner }}\delta }}\underbrace {{\underset {}{}}\implies }_{{{\text{ gilt}}}}\underbrace {{\underset {}{}}|f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon }_{{{\text{, dass der Abstand von }}f(x){\text{ zu }}f({\tilde x}){\text{ kleiner als }}\epsilon {\text{ ist}}}}\end{aligned}}
Vergleicht man die Epsilon-Delta-Definition der gleichmäßigen und der normalen Stetigkeit in Quantorenschreibweise, so fällt auf, dass zwei Quantoren vertauscht sind:
{\begin{aligned}{\begin{array}{ll}{\text{Normale Stetigkeit: }}&\forall \epsilon >0\,{\color {OliveGreen}\forall {\tilde x}\in D}\,{\color {Blue}\exists \delta >0}\,\forall x\in D:\\[0.3em]&\quad |x-{\tilde x}|<\delta \implies |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon \\[0.5em]{\text{Gleichmäßige Stetigkeit: }}&\forall \epsilon >0\,{\color {Blue}\exists \delta >0}\,{\color {OliveGreen}\forall {\tilde x}\in D}\,\forall x\in D:\\[0.3em]&\quad |x-{\tilde x}|<\delta \implies |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon \end{array}}\end{aligned}}
Das beruht darauf, dass bei der gleichmäßigen Stetigkeit das gefundene \delta ein globales Delta ist, welches unabhängig von der Stelle {\tilde x}\in D ist. Um diese Unabhängigkeit auszudrücken, muss der Existenzquantor „\exists \delta >0“ vor dem Allquantor „\forall {\tilde x}\in D“ für die Stützstellen erscheinen.

Herleitung der Negation der gleichmäßigen Stetigkeit

Durch schrittweise Negation der Quantorenschreibweise erhalten wir die Definition der nicht gleichmäßigen Stetigkeit:
{\begin{aligned}{\begin{array}{rrrrrcr}&\neg {\Big (}\forall \epsilon >0\,&\exists \delta >0\,&\forall {\tilde x},x\in D:&|x-{\tilde x}|<\delta &\implies &|f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon {\Big )}\\[0.5em]\iff &\exists \epsilon >0\,&\neg {\Big (}\exists \delta >0\,&\forall {\tilde x},x\in D:&|x-{\tilde x}|<\delta &\implies &|f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon {\Big )}\\[0.5em]\iff &\exists \epsilon >0\,&\forall \delta >0\,&\neg {\Big (}\forall {\tilde x},x\in D:&|x-{\tilde x}|<\delta &\implies &|f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon {\Big )}\\[0.5em]\iff &\exists \epsilon >0\,&\forall \delta >0\,&\exists {\tilde x},x\in D:&\neg {\Big (}|x-{\tilde x}|<\delta &\implies &|f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon {\Big )}\\[0.5em]\iff &\exists \epsilon >0\,&\forall \delta >0\,&\exists {\tilde x},x\in D:&|x-{\tilde x}|<\delta &\land &\neg {\Big (}|f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon {\Big )}\\[0.5em]\iff &\exists \epsilon >0\,&\forall \delta >0\,&\exists {\tilde x},x\in D:&|x-{\tilde x}|<\delta &\land &|f(x)-f({\tilde x})|\geq \epsilon \end{array}}\end{aligned}}
Also:
\exists \epsilon >0\,\forall \delta >0\,\exists {\tilde x},x\in D:|x-{\tilde x}|<\delta \land |f(x)-f({\tilde x})|\geq \epsilon

Negation der gleichmäßigen Stetigkeit

Definition: Nicht gleichmäßige Stetigkeit
Eine Funktion f:D\to \mathbb{R} heißt nicht gleichmäßig stetig, wenn es mindestens ein \epsilon >0 existiert, bei dem es egal für welches \delta >0 jeweils mindestens zwei Argumente {\tilde x} und x mit einem Abstand kleiner als \delta gibt, so dass die Funktionswerte f(x) und f({\tilde x}) mindestens einen Abstand von \epsilon haben.

Gleichmäßige Stetigkeit ist eine globale Eigenschaft

Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine globale Eigenschaft einer Funktion. Dies bedeutet, dass es nur Sinn ergibt, die gleichmäßige Stetigkeit für eine Funktion als Ganzes zu betrachten. Im Gegensatz dazu ist die normale Stetigkeit eine lokale Eigenschaft. Es ist möglich, die Stetigkeit einer Funktion an nur einer Stelle zu betrachten bzw. zu definieren. Bei der gleichmäßigen Stetigkeit ist dies unmöglich.
Diese Tatsache ergibt sich aus der Definition: Bei der gleichmäßigen Stetigkeit finden wir ein globales \delta >0, dessen Delta-Bereich um jede Stützstelle für eine ausreichende Approximation sorgt. Für eine einzelne Stelle ergibt es keinen Sinn zu sagen, dass das gefundene Delta eine globale Gültigkeit hat. Man braucht hier nur eines zu finden.

Visualisierung

Wiederholung: Visualisierung beim Epsilon-Delta-Kriterium

Um das Epsilon-Delta-Kriterium zu visualisieren, zeichnen wir um den betrachteten Punkt (x_{0},f(x_{0})) ein Rechteck mit der Höhe 2\epsilon und der Breite 2\delta . Um das Epsilon-Delta-Kriterium zu erfüllen, muss der Graph komplett im Inneren, aber nie direkt ober- oder unterhalb des Rechtecks verlaufen:
Das 2Epsilon-2Delta-Rechteck mit erlaubten und unerlaubten Bereich (Lukasstockner, Stephan Kulla: CC0)
Nehmen wir als Beispiel die Quadratfunktion und betrachten die Stelle x_{0}=1. Egal wie klein \epsilon vorgegeben ist, wir finden stets ein \delta , so dass der Graph komplett im Inneren des 2\epsilon -2\delta -Rechtecks liegt:
Visualisierung des Epsilon-Delta-Kriteriums anhand der Quadratfunktion (Stephan Kulla: CC0)
Wenn im Gegenzug die Funktion wie beim Beispiel der Vorzeichenfunktion \operatorname{sgn}(x) unstetig ist, so finden wir ein \epsilon >0, bei dem der Graph stets Werte direkt ober- oder unterhalb des Rechtecks besitzt – egal wie klein \delta gewählt wird. Bei der Vorzeichenfunktion im Punkt x_{0}=0 ist dies zum Beispiel bei der Wahl \epsilon ={\tfrac 12} der Fall:
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Visualisierung der gleichmäßigen Stetigkeit

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Bei der gleichmäßigen Stetigkeit ist das \delta unabhängig von der betrachteten Stelle. Damit muss der Graph komplett im Inneren des Rechtecks verlaufen, egal mit welchen Punkt des Graphen als Mittelpunkt man es betrachtet. Sprich: Für jedes \epsilon >0 muss es ein \delta >0 geben, so dass man das 2\epsilon -2\delta -Rechteck beliebig am kompletten Graphen entlang verschieben kann, ohne dass es Funktionswerte direkt ober- bzw. unterhalb des Rechtecks gibt:
Bei einer gleichmäßigen stetigen Funktion liegt kein Punkt direkt ober- bzw. unterhalb des Rechtecks – egal wo man das Rechteck am Graphen ansetzt. (Claudia Renner, Stephan Kulla: CC BY-SA 4.0)
Bei einer nicht gleichmäßig stetigen Funktion ist dies nicht möglich. Nehmen wir als Gegenbeispiel die Quadratfunktion. Für ein beliebiges \epsilon >0 können wir kein \delta >0 setzen, so dass der Graph überall komplett im Inneren des 2\epsilon -2\delta -Rechtecks verläuft, egal wo wir dieses Rechteck ansetzen. Zwar kann bei x-Werten in der Nähe der Null der Graph im Inneren des Rechtecks liegen, weil sich dort die Quadratfunktion wenig ändert, aber je mehr wir das Rechteck nach rechts verschieben, desto stärker ist der Anstieg der Quadratfunktion. Irgendwann ist dieser so stark, dass Funktionswerte direkt oberhalb bzw. unterhalb des 2\epsilon -2\delta -Rechtecks liegen. Damit ist die Quadratfunktion ein Beispiel einer stetigen Funktion, die nicht gleichmäßig stetig ist:
Die Quadratfunktion als Beispiel für eine nicht gleichmägig stetige Funktion (FareedaObeid, Stephan Kulla: CC BY-SA 4.0)

Beweisschema

Beweisschema: Gleichmäßige Stetigkeit

In Quantorenschreibweise lautet die Definition der gleichmäßigen Stetigkeit:
{\color {Red}\forall \epsilon >0}\ {\color {RedOrange}\exists \delta >0}\ {\color {OliveGreen}\forall {\tilde x},x\in D\ {\big (}|x-{\tilde x}|<\delta }{\color {Blue}{}\implies |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon {\big )}}
Aus dieser Aussage kann ein Schema zum Beweis der gleichmäßigen Stetigkeit abgeleitet werden:
{\begin{array}{l}{\color {Red}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Sei }}\epsilon >0{\text{ beliebig.}}}_{{\forall \epsilon >0}}}\ {\color {RedOrange}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Wähle }}\delta =\ldots {\text{ Es existiert }}\delta {\text{, weil}}\ldots }_{{\exists \delta >0}}}\\{\color {OliveGreen}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Seien }}x,{\tilde x}\in D{\text{ mit }}|x-{\tilde x}|<\delta {\text{ beliebig.}}}_{{\forall {\tilde x},x\in D:|x-{\tilde x}|<\delta }}}\ {\color {Blue}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Es ist: }}|f(x)-f({\tilde x})|<\ldots <\epsilon }_{{{}\implies |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon }}}\end{array}}

Beweisschema: Nicht gleichmäßige Stetigkeit

In Prädikatenlogik lautet die Definition einer nicht gleichmäßig stetigen Funktion f:
{\color {Red}\exists \epsilon >0}\ {\color {RedOrange}\forall \delta >0}\ {\color {OliveGreen}\exists {\tilde x},x\in D}:{\color {DarkOrchid}|x-{\tilde x}|<\delta }\land {\color {Blue}|f(x)-f({\tilde x})|\geq \epsilon }
Daraus ergibt sich ein Schema für den Beweis, dass eine Funktion nicht gleichmäßig stetig ist:
{\begin{array}{l}{\color {Red}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Wähle }}\epsilon =\ldots }_{{\exists \epsilon >0}}}\ {\color {RedOrange}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Sei }}\delta >0{\text{ beliebig.}}}_{{\forall \delta >0}}}\\{\color {OliveGreen}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Wähle }}{\tilde x}=\ldots {\text{ und }}x=\ldots {\text{ Es sind }}{\tilde x},x\in D{\text{, weil}}\ldots }_{{\exists {\tilde x},x\in D}}}\\{\color {Black}{\text{Es ist:}}}\\[0.5em]\quad \quad {\color {DarkOrchid}{\text{Beweis für }}|x-{\tilde x}|<\delta }\\[0.5em]\quad \quad {\color {Blue}{\text{Beweis für }}|f(x)-f({\tilde x})|\geq \epsilon }\end{array}}

Gleichmäßige Stetigkeit als Verschärfung der Stetigkeit

Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine Verschärfung der normalen Stetigkeit. Dies bedeutet, dass jede gleichmäßig stetige Funktion auch stetig ist. Die Umkehrung gilt aber nicht. Es gibt stetige Funktionen wie die Quadratfunktion f:\mathbb{R} \to \mathbb{R} :x\mapsto x^{2}, die nicht gleichmäßig stetig sind. Also:
{\begin{array}{c}{\text{Gleichmäßige}}\\{\text{Stetigkeit}}\end{array}}{\begin{array}{c}\not \Longleftarrow \\\implies \end{array}}{\text{Stetigkeit}}

Jede gleichmäßig stetige Funktion ist stetig

Satz: Gleichmäßige Stetigkeit impliziert Stetigkeit
Jede gleichmäßig stetige Funktion f:D\to \mathbb{R} mit D\subseteq \mathbb{R} ist in jedem Punkt x_{0}\in D stetig.
BeweisWir müssen zeigen, dass eine gleichmäßig stetige Funktion f:D\to \mathbb{R} in jedem Punkt x_{0}\in D stetig ist. Dazu wird uns ein beliebiges \epsilon >0 und x_{0}\in D gegeben und wir müssen ein \delta >0 finden, so dass aus |x-x_{0}|<\delta die Ungleichung |f(x)-f(x_{0})|<\epsilon folgt. Nun können wir die Definition der gleichmäßigen Stetigkeit anwenden. Wir erhalten ein \delta >0, so dass für alle x,{\tilde x}\in D mit |x-{\tilde x}|<\delta gilt, dass |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon . Da diese Implikation für alle Punkte x,{\tilde x}\in D gilt, gilt sie insbesondere auch für x und {\tilde x}=x_{0}. Das gefundene \delta >0 durch die gleichmäßige Stetigkeit kann also als \delta für die normale Stetigkeit verwendet werden.

Die Quadratfunktion ist stetig, aber nicht gleichmäßig stetig

Wie wir gesehen haben, ist jede gleichmäßig stetige Funktion auch stetig. Die Umkehrung dessen gilt jedoch nicht, weshalb wir als Beispiel nochmals die Quadratfunktion betrachten:
{\begin{aligned}f:\mathbb{R} &\longrightarrow \mathbb{R} \\x&\longmapsto x^{2}\end{aligned}}
Wie wir im Abschnitt Visualisierung bereits gesehen haben, können wir für ein beliebiges \epsilon >0 kein festes \delta >0 setzen, so dass der Graph überall komplett im Inneren des 2\epsilon -2\delta -Rechtecks verläuft, egal wo wir dieses Rechteck ansetzen. Je weiter wir das Rechteck nach rechts verschieben, desto stärker der Anstieg der Quadratfunktion, so dass Funktionswerte direkt oberhalb bzw. unterhalb des 2\epsilon -2\delta -Rechtecks liegen.
Die können wir auch anhand der Epsilon-Delta-Definition der gleichmäßigen Stetigkeit sehen: \forall \epsilon >0\,\exists \delta >0\,\forall {\tilde x}\in \mathbb{R} \,\forall x\in \mathbb{R} :|x-{\tilde x}|<\delta \implies |f(x)-f({\tilde x})|<\epsilon . Wir wollen die Negation dieser Aussage beweisen und wollen somit zeigen: \exists \epsilon >0\,\forall \delta >0\,\exists {\tilde x}\in \mathbb{R} \,\exists x\in \mathbb{R} :|x-{\tilde x}|<\delta und |f(x)-f({\tilde x})|\geq \epsilon . Betrachten wir \epsilon =1 und nehmen wir an es gäbe ein \delta >0, sodass |x_{1}^{2}-x_{0}^{2}|<\epsilon für alle reellen Zahlen x_{0},x_{1}\in \mathbb{R} mit |x_{1}-x_{0}|<\delta gelte. Betrachten wir nun ein x_{0}(\delta )>0 welches wir später festlegen werden. Wir nehmen die Zahlen x_{0} und x_{1}:=x_{0}+{\frac \delta 2}. Nun gilt per Konstruktion |x_{1}-x_{0}|={\frac \delta 2}<\delta .
Wir werden nun zeigen, dass |x_{1}^{2}-x_{0}^{2}|\geq \epsilon gilt.
x_{1}^{2}=(x_{0}+{\frac \delta 2})^{2}=x_{0}^{2}+x_{0}\delta +{\frac 14}\delta ^{2}\geq x_{0}^{2}+x_{0}\delta
Somit gilt weiter
|x_{1}^{2}-x_{0}^{2}|=(x_{0}+{\frac \delta 2})^{2}-x_{0}^{2}=x_{0}^{2}+\delta x_{0}+{\frac {\delta ^{2}}{4}}-x_{0}^{2}\geq \delta x_{0}.
Wählen wir nun x_{0}\geq {\frac 1\delta } so können garantieren, dass |x_{1}^{2}-x_{0}^{2}|\geq 1=\epsilon . Somit haben wir gezeigt, dass
{\begin{aligned}f:\mathbb{R} &\longrightarrow \mathbb{R} \\x&\longmapsto x^{2}\end{aligned}}
nicht gleichmäßig stetig ist.

Baustelle: Beispiele

Beispiel: gleichmäßig stetige Funktionen
Beispiel
  • Die Identitätsfunktion f:D\to D ist gleichmäßig stetig, weil wenn |x-y|<\delta gilt, können wir |f(x)-f(y)|=|x-y|<\epsilon zeigen, wenn wir \delta =\epsilon wählen.
  • Oben haben wir gesehen, dass die Quadratfunktion f:\mathbb{R} \to \mathbb{R} auf den reellen Zahlen nicht gleichmäßig stetig ist. Schränken wir hingegen die Funktion auf ein abgeschlossenes Intervall ein, wird diese neue Funktion gleichmäßig stetig. Es gilt also zum Beispiel, dass
{\begin{aligned}f:[0,1]&\to \mathbb{R} \\x\mapsto x^{2}\end{aligned}}
gleichmäßig stetig ist. Wir zeigen dies wie folgt: Es gilt
|f(x)-f(y)|=|x^{2}-y^{2}|=|x+y||x-y|\leq 2|x-y|,
weil x,y\in [0,1] gilt. Damit können wir \delta :={\frac {\epsilon }{2}} wählen und erhalten, so dass für alle x,y\in D mit |x-y|<\delta die Abschätzung |f(x)-f(y)|<2|x-y|<2\delta =\epsilon gilt.
  • Die Wurzelfunktion ist gleichmäßig stetig auf \mathbb{R} _{0}^{+}. Betrachte:
{\begin{aligned}f:\mathbb{R} _{0}^{+}&\to \mathbb{R} \\x&\mapsto {\sqrt {x}}\end{aligned}}
Sei \epsilon >0 beliebig vorgegeben. Dann ist \delta =\epsilon ^{2} eine geeignete Wahl: Seien x,y\in [0,\infty [ mit |x-y|<\delta .
Ohne Einschränkung können wir annehmen, dass x\leq y. Dann ist auch {\sqrt {x}}\leq {\sqrt {y}}, also folgt |{\sqrt {x}}-{\sqrt {y}}|={\sqrt {y}}-{\sqrt {x}}.
Wir wollen nun sehen, dass |f(x)-f(y)|=|{\sqrt {x}}-{\sqrt {y}}|={\sqrt {y}}-{\sqrt {x}}<\epsilon gilt.
Nach Voraussetzung wissen wir, dass 0\leq x\leq y<x+\epsilon ^{2}. Damit bekommen wir:
y<x+\epsilon ^{2}\leq x+2{\sqrt {x}}\epsilon +\epsilon ^{2}=({\sqrt {x}}+\epsilon )^{2}
Insgesamt haben wir also y<({\sqrt {x}}+\epsilon )^{2}. Weil nach Voraussetzung x,y\geq 0 und auch \epsilon >0 gilt, können wir aus dieser Gleichung die Wurzel ziehen und erhalten {\sqrt {y}}<{\sqrt {x}}+\epsilon , also {\sqrt {y}}-{\sqrt {x}}<\epsilon , was wir oben sehen wollten. Damit haben wir bewiesen, dass f gleichmäßig stetig ist.
  • Das nächste Beispiel ist nicht gleichmäßig stetig, es handelt sich um die Funktion
{\begin{aligned}f:(0,1]&\to \mathbb{R} \\x\mapsto \sin \left({\frac {1}{x}}\right),\end{aligned}}
welche immer schneller gestreckte Sinuswellen in der Nähe von Null darstellt. Angenommen, f wäre gleichmäßig stetig, dann könnten wir ein geeignetes \delta aus der Definition finden. Für x\to 0 wird die Frequenz von f jedoch immer schneller, so dass nahe Null immer eine ganze Periode der Sinusfunktion im \delta -Ball enthalten ist. Da der Abstand zwischen dem Maximum und dem Minimum einer Sinuswelle gleich 2 ist, kann die Bedingung |f(x)-f(y)|<\epsilon niemals überall erfüllt sein, wenn \epsilon <2 ist. Dies wird noch einmal im folgenden Bild illustriert:
This image shows, that the topological sine curve is not uniformly continuous. For an environment of fixed width and x going towards 0, at some point a full period will be inside the environment. (Benjamin Wolba: CC BY-SA 4.0)

Eigenschaften

Wie wir gesehen haben, ist nicht jede stetige Funktion auch gleichmäßig stetig. Dies trifft jedoch zu, wenn wir den Definitionsbereich einer stetigen Funktion auf ein abgeschlossenes, kompaktes Intervall [a,b] einschränken:
Satz: Heine-Cantor für \mathbb{R}
Jede stetige Funktion f:[a,b]\to \mathbb{R} ist gleichmäßig stetig.
Beweis
Wir wählen einen indirekten Beweis und nehmen an, die Funktion f:[a,b]\to \mathbb{R} sei nicht gleichmäßig stetig. Das heißt, es gibt ein \varepsilon >0 und zu jedem n\in \mathbb{N} gibt es zwei Punkte x_{n},x'_{n}\in [a,b], so dass |x_{n}-x'_{n}|<{\tfrac {1}{n}} und |f(x_{n})-f(x'_{n})|\geq \varepsilon .
Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß besitzt die beschränkte Folge (x_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} eine konvergente Teilfolge (x_{{n_{k}}})_{{k\in \mathbb{N} }}, deren Grenzwert x im Intervall [a,b] enthalten ist. Dieser ist wegen |x_{{n_{k}}}-x'_{{n_{k}}}|<{\tfrac {1}{n_{k}}} ebenfalls Grenzwert der Folge (x'_{{n_{k}}})_{{k\in \mathbb{N} }}.
Aus der Stetigkeit von f folgt f(x_{{n_{k}}})\to f(x) und f(x'_{{n_{k}}})\to f(x). Daher gibt es ein k_{0}, so dass |f(x_{{n_{k}}})-f(x)|<{\tfrac {\varepsilon }{2}} und |f(x'_{{n_{k}}})-f(x)|<{\tfrac {1}{n_{K}}} für alle k\geq k_{0}. Daraus folgt nun |f(x_{{n_{k}}})-f(x'_{{n_{k}}})|=|(f(x_{{n_{k}}})-f(x))+(f(x)-f(x'_{{n_{k}}}))|\leq |(f(x_{{n_{k}}})-f(x))|+|(f(x)-f(x'_{{n_{k}}}))|<{\tfrac {\varepsilon }{2}}+{\tfrac {\varepsilon }{2}}=\varepsilon für alle k\geq k_{0} im Widerspruch zu unserer Annahme |f(x_{{n_{k}}})-f(x'_{{n_{k}}})|\geq \varepsilon für alle k. Daher war die gemachte Annahme falsch und es folgt die gleichmäßige Stetigkeit.