In diesem Kapitel wird erläutert, wie man die Konvergenz und Divergenz einer Folge beweisen kann. Normalerweise teilt sich diese Arbeit in zwei Arbeitsschritte auf: Zunächst versucht man auf einem Schmierblatt, eine Beweisidee zu finden, die man danach im zweiten Schritt in einem Beweis umsetzt und ins Reine schreibt. Dabei ist oftmals der Lösungsweg auf dem Schmierblatt ein völlig anderer als die letztendliche Beweisargumentation. Dies werden wir auch bei den Beispielaufgaben in diesem Kapitel sehen.
Jedoch gibt es kein Schema F zur Lösung von Grenzwertaufgaben! Auch wenn ich dir in diesem Kapitel einige Tipps und Tricks mit an die Hand gebe und dir im Studium auch immer wieder neue Lösungen für Konvergenzaufgaben begegnen werden, wirst du auf Übungsaufgaben stoßen, bei denen die bisher gelernten Lösungsstrategien nicht funktionieren. Hier musst du selbst kreativ werden und auf Basis der dir bereits bekannten Sätze versuchen, neue Lösungswege zu finden. Dies ist aber gewollt. Denn du sollst im Mathematikstudium lernen, innovative Lösungsstrategien für neue Problemtypen zu entwickeln 😃.

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Allgemeine Beweisstruktur

Bevor wir uns einer konkreten Beispielaufgabe zuwenden, ist es sinnvoll, die allgemeine Beweisstruktur für die Konvergenz einer Folge zu verstehen. So weiß man nämlich, wie der finale Beweis aussehen muss. Die Konvergenz der Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} gegen a wird durch folgende Aussage beschrieben:
{\color {Red}\forall \epsilon >0}\ {\color {RedOrange}\exists N\in \mathbb{N} }\ {\color {OliveGreen}\forall n\geq N}\ {\color {Blue}|a_{n}-a|<\epsilon }
Diese Aussage gibt die allgemeine Beweisstruktur vor:
{\begin{array}{l}{\color {Red}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Sei }}\epsilon >0{\text{ beliebig.}}}_{{\forall \epsilon >0}}}\ {\color {RedOrange}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Wähle }}N=\ldots {\text{ Die Zahl }}N{\text{ existiert, weil}}\ldots }_{{\exists N\in \mathbb{N} }}}\\{\color {OliveGreen}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Sei }}n\geq N{\text{ beliebig.}}}_{{\forall n\geq N}}}\ {\color {Blue}{\text{Es ist: }}|a_{n}-a|<\ldots <\epsilon }\end{array}}
Der Satz „N existiert, weil…“ kann im Übrigen entfallen, wenn dies offensichtlich ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn N explizit angegeben wird und klar ist, dass N eine natürliche Zahl ist.

Beispielaufgabe und allgemeines Vorgehen

Die Beispielaufgabe lautet
„Konvergiert die Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} mit a_{n}={\tfrac {n}{n+1}}? Wenn ja, gegen welchen Grenzwert? Beweise alle deine Behauptungen.“
Der Lösungsweg involviert folgende Schritte:
  1. Grenzwert finden
  2. notwendige Beweisschritte auf Schmierblatt finden
  3. Beweis nach obiger Beweisstruktur aufschreiben

Grenzwert finden

Zunächst müssen wir bestimmen, ob die Folge a_{n}={\tfrac n{n+1}} konvergiert und welchen Grenzwert sie im Fall der Konvergenz besitzt. Hierzu bieten sich folgende Techniken an:
Fangen wir also damit an, die ersten zehn Folgenglieder von a_{n}={\tfrac n{n+1}} zu berechnen:
n
{\tfrac n{n+1}}
1
0,5
2
0,666…
3
0,75
4
0,8
5
0,833…
6
0,857…
7
0,875
8
0,888…
9
0,9
10
0,909…
Diese können wir in einem Diagramm einzeichnen:
Die ersten zehn Folgenglieder der Folge a_n=n/(n+1) (Stephan Kulla: CC0)
Wir sehen, dass die ersten Folgenglieder monoton steigen, wobei der Anstieg zwischen den Folgengliedern immer kleiner wird. Wir können deswegen vermuten, dass die Folge konvergiert. Ein klarer Kandidat für einen Grenzwert ist noch nicht erkennbar. Hierfür können wir hohe Folgenglieder ausrechnen, weil diese in der Nähe des Grenzwerts liegen müssten. Es ist
a_{{1000}}=0,99900099900\ldots
und
a_{{1000000}}=0,99999900000099\ldots
Große Folgenglieder liegen also in der Nähe von 1 und deswegen liegt die Hypothese nahe, dass 1 der Grenzwert der betrachteten Folge ist. Aber auch folgende Überlegungen stützen diese Hypothese: Wenn n sehr groß ist, dann ist n+1\approx n, weil die Addition von eins bei großen Zahlen kaum etwas am Wert ändert. Es müsste also gelten
{\tfrac n{n+1}}\approx {\tfrac nn}=1
Wegen diesen Betrachtungen kommen wir zur Hypothese, dass 1 der Grenzwert der Folge a_{n}={\tfrac n{n+1}} ist.
Warnung:
Obige Argumentationen erfüllen nicht die Voraussetzungen eines gültigen Beweises. Durch sie kann nur eine Vermutung gewonnen werden, was der Grenzwert einer Folge sein könnte. Einen Beweis musst du danach immer gesondert führen.

Beweisschritte finden

Der Kern des Beweises ist die Abschätzung |a_{n}-a|<\ldots <\epsilon . Um diese zu finden, fängt man am Besten mit dem Betrag |a_{n}-a| an und versucht diesen so lange zu vereinfachen und nach oben abzuschätzen, bis man einen Ausdruck findet, der kleiner als \epsilon ist. Bei den Abschätzungen dürfen wir beliebige Bedingungen für n der Form n\geq N stellen, wobei N eine natürliche Zahl ist, die nur von \epsilon und a abhängen darf (N darf also nicht von a_{n} abhängen!).
Verständnisfrage: Warum darf N nicht von a_{n} abhängen?
Schaut man sich die obige Beweisstruktur an, wird hier n so definiert, dass n\geq N ist. Was n sein kann, hängt also von N ab. Wenn nun umgekehrt N auch von n abhängen würde, hätte man einen in sich geschlossenen Kreis von Abhängigkeiten, den man nicht auflösen könnte: n hängt von N ab, was von n abhängt, was von N abhängt... und so weiter. Weil a_{n} von n abhängt, kann auch N nicht von a_{n} abhängen, weil auch dann eine indirekte Abhängigkeit von N nach n und somit ein in sich geschlossener Kreis von Abhängigkeiten besteht.
In der Beweisstruktur erkennen wir dies daran, dass N definiert werden muss, noch bevor n und damit a_{n} bekannt ist. Es kann also nicht N von n abhängen, weil man sonst im Beweis N mit Hilfe der Größe n bzw. a_{n} angeben müsste, ohne dass diese Größen definiert wären. Widerspruch!
Auch in der Definition der Konvergenz können wir es erkennen:
{\color {Blue}\exists a\in \mathbb{R} \,\forall \epsilon >0}\ {\color {Orange}\exists N\in \mathbb{N} }\ {\color {OliveGreen}\forall n\geq N}\ |a_{n}-a|<\epsilon
{\color {Orange}N} darf nur von dem abhängen, was vor ihm steht: also {\color {Blue}a} und {\color {Blue}\epsilon }. Die Variable {\color {OliveGreen}n} wird nach {\color {Orange}N} eingeführt. Damit darf {\color {Orange}N} nicht von {\color {OliveGreen}n} oder a_{{\color {OliveGreen}n}} abhängen.
Auch kann man probieren, |a_{n}-a|<\epsilon nach n umzustellen, um die gewünschte Bedingung für n zu finden. Jedoch muss man hier darauf achten, dass man nur Äquivalenzumformungen verwendet. Am Ende müssen nämlich alle Umformungen auch in die Gegenrichtung geführt werden können, damit man im Beweis aus n\geq \ldots wieder die Zielungleichung |a_{n}-a|<\epsilon zeigen kann. In diesem und nächsten Kapitel sind dafür einige Beispiele.
Seien nun n\geq N_{1}(a,\epsilon ), n\geq N_{2}(a,\epsilon ),…,n\geq N_{m}(a,\epsilon ) die Bedingungen an die Variablen n, welche wir für den Beweis brauchen. Am Ende wählen wir im Beweis N=\max\{N_{1}(a,\epsilon ),N_{2}(a,\epsilon ),\ldots ,N_{m}(a,\epsilon )\}. So wird nämlich gewährleistet, dass aus n\geq N automatisch n\geq N_{1}, n\geq N_{2} usw. folgt. Damit können wir im Beweis alle Abschätzungen durchführen, die wir auf dem Schmierblatt vorher gefunden haben.
Kehren wir zur obigen Beispielaufgabe zurück und fangen an, \left|1-{\tfrac n{n+1}}\right| zu vereinfachen:
{\begin{aligned}\left|1-{\frac n{n+1}}\right|&=\left|{\frac {n+1}{n+1}}-{\frac n{n+1}}\right|=\left|{\frac {n+1-n}{n+1}}\right|\\[0.5em]&=\left|{\frac {1}{n+1}}\right|={\frac {1}{n+1}}\end{aligned}}
Von diesem Ausdruck wissen wir aufgrund des archimedischen Axioms, dass er irgendwann kleiner als \epsilon ist. Das archimedische Axiom fordert nämlich, dass es für alle \epsilon >0 ein M\in \mathbb{N} mit {\tfrac 1M}<\epsilon gibt. Um {\tfrac 1{n+1}}<\epsilon zu erreichen, kann n+1\geq M gewählt werden. Dann folgt nämlich {\tfrac {1}{n+1}}\leq {\tfrac {1}{M}}<\epsilon . Damit reicht es, wenn n die folgende Bedingung erfüllt:
{\begin{array}{rrl}&n+1&\geq M\\\Leftrightarrow \ &n&\geq M-1\end{array}}
Damit haben wir die gewünschte Abschätzung mit der einzigen Bedingung n\geq M-1. Wir wählen im Beweis also N=M-1, wobei M, wie oben genannt, mit dem archimedischen Axiom gewählt wird.

Beweis aufschreiben

Wir schreiben nun den Beweis ins Reine (zur Übung kannst du selbst probieren, den Beweis nach dem obigen Schema aufzuschreiben):
Beweis:
Beweis
Sei \epsilon >0 beliebig. Nach dem archimedischen Axiom gibt es ein M\in \mathbb{N} mit {\tfrac 1M}<\epsilon . Wähle N=M-1. Für alle n\geq N gilt:
{\begin{aligned}\left|1-{\frac n{n+1}}\right|&=\left|{\frac {n+1}{n+1}}-{\frac n{n+1}}\right|=\left|{\frac {n+1-n}{n+1}}\right|\\[0.5em]&=\left|{\frac {1}{n+1}}\right|={\frac {1}{n+1}}\leq {\frac {1}{M}}<\epsilon \end{aligned}}
Wenn wir den Beweis und den Lösungsweg miteinander vergleichen, dann sehen wir, dass sie völlig verschieden formuliert sind. Im Beweis scheint die Wahl von M und N vom Himmel zu fallen, weil ohne bekannten Lösungsweg nicht klar ist, warum man diese Zahlen so wählen sollte. Dies zeigt, dass man niemals den Beweis eines Mathematikers mit dem Lösungsweg zum Beweis verwechseln sollte!

Übungsaufgabe

Wir empfehlen euch, genau wie eben beschrieben, die folgende Aufgabe zu versuchen.
Übung: Konvergenz einer Folge
Beweise, dass die Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} mit a_{n}={\tfrac {1-2n}{5+3n}} konvergiert. Wie lautet ihr Grenzwert?
Wie komme ich auf den Beweis?
Wir gehen genau wie oben beschrieben vor. Zunächst benötigen wir einen Grenzwert:
Beweisschritt: Grenzwert finden
Wir können wie oben die ersten Folgenglieder ausrechnen, oder wir überlegen uns gleich folgendes: Für sehr große n gilt für den Zähler der Folge 1-2n\approx -2n, und für den Nenner 5+3n\approx 3n. Insgesamt gilt daher
a_{n}={\frac {1-2n}{5+3n}}\approx {\frac {-2n}{3n}}=-{\frac 23}
falls n sehr groß ist. Unsere starke Vermutung ist somit, dass (a_{n}) gegen den Grenzwert -{\tfrac 23} konvergiert.
Nun folgt die rechnerische Vorarbeit, um anschließend den Beweis sauber aufschreiben zu können:
Beweisschritt: Nötige Beweisschritte finden
Laut der Definition der Konvergenz müssen wir zu jedem \epsilon >0 ein N\in \mathbb{N} finden, so dass für alle n\geq N gilt: |a_{n}-(-{\tfrac 23})|<\epsilon . Dazu vereinfachen wir den Ausdruck |a_{n}-(-{\tfrac 23})| zunächst:
{\begin{aligned}|a_{n}-(-{\tfrac 23})|&=\left|{\frac {1-2n}{5+3n}}+{\frac 23}\right|\\[0.3em]&=\left|{\frac {3(1-2n)}{3(5+3n)}}+{\frac {2(5+3n)}{3(5+3n)}}\right|\\[0.3em]&=\left|{\frac {3(1-2n)+2(5+3n)}{3(5+3n)}}\right|\\[0.3em]&=\left|{\frac {3-6n+10+6n}{15+9n}}\right|\\[0.3em]&=\left|{\frac {13}{15+9n}}\right|={\frac {13}{15+9n}}\end{aligned}}
Nun formen wir die Ungleichung {\tfrac {13}{15+9n}}<\epsilon um, zu einer Ungleichung der Form n>\ldots :
{\begin{aligned}&{\frac {13}{15+9n}}<\epsilon \\[0.3em]\iff &13<\epsilon (15+9n)\\[0.3em]\iff &13<15\epsilon +9n\epsilon \\[0.3em]\iff &13-15\epsilon <9n\epsilon \\[0.3em]\iff &{\frac {13-15\epsilon }{9\epsilon }}<n\\[0.3em]\iff &n>{\frac {13-15\epsilon }{9\epsilon }}\end{aligned}}
Damit haben wir eine passende Bedingung für n, und damit auch N gefunden. Wählen wir nämlich N>{\tfrac {13-15\epsilon }{9\epsilon }}, was nach dem archimedischen Axiom möglich ist, so folgt aus dem eben hergeleiteten für alle n\geq N: |a_{n}-(-{\tfrac 23})|={\tfrac {13}{15+9n}}<\epsilon .
Damit sind wir mit unserer Vorarbeit fertig, und müssen den Beweis nur noch in „Mathematikerdeutsch“ formulieren.
Beweis
Sei \epsilon >0 beliebig. Nach dem archimedischen Axiom gibt es ein N\in \mathbb{N} mit N>{\tfrac {13-15\epsilon }{9\epsilon }}. Sei n\geq N beliebig. Dann ist
{\begin{aligned}\left|{\frac {1-2n}{5+3n}}-\left(-{\frac 23}\right)\right|&=\left|{\frac {3(1-2n)}{3(5+3n)}}+{\frac {2(5+3n)}{3(5+3n)}}\right|=\left|{\frac {13}{15+9n}}\right|\\[0.5em]&={\frac {13}{15+9n}}<\epsilon \end{aligned}}

Beweise für Divergenz führen error: TODO

Allgemeine Beweisstruktur

Die Divergenz einer Folge tritt per Definition genau dann ein, wenn die Folge nicht konvergent ist. Die aussagenlogische Formulierung von Divergenz ist also genau die Negation der Konvergenz-Definition. Dafür tauschen wir alle Quantoren aus und ändern im Teil nach den Quantoren < zu \geq . (Analog würden wir bei Negation > zu \leq und = zu \neq umändern.) Bei Divergenz der Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} haben wir also folgende Aussage zu beweisen:
{\color {Red}\forall a\in \mathbb{R} }\ {\color {RedOrange}\exists \epsilon >0}\ {\color {DarkOrchid}\forall N\in \mathbb{N} }\ {\color {OliveGreen}\exists n\geq N}{\color {Blue}|a_{n}-a|\geq \epsilon }
Die damit verbundene Beweisstruktur ist:
{\begin{array}{l}{\color {Red}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Sei }}a\in \mathbb{R} {\text{ beliebig.}}}_{{\forall a\in \mathbb{R} }}}\ {\color {RedOrange}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Wähle }}\epsilon =\ldots {\text{ Die Zahl }}\epsilon {\text{ existiert, weil}}\ldots }_{{\exists \epsilon >0}}}\\{\color {DarkOrchid}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Sei }}N\in \mathbb{N} {\text{ beliebig.}}}_{{\forall N\in \mathbb{N} }}}\ {\color {OliveGreen}\underbrace {{\underset {}{}}{\text{Wähle }}n=\ldots {\text{ Es existiert }}n{\text{ mit }}n\geq N{\text{, weil}}\ldots }_{{\exists n\geq N}}}\\{\color {Blue}{\text{Es ist: }}|a_{n}-a|\geq \ldots \geq \epsilon }\end{array}}
Hier können Teile des Beweisschemas weggelassen werden, wenn sie offensichtlich sind. Jedoch muss die grundlegende Beweisstruktur erhalten bleiben.

Beispielaufgabe

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Schauen wir uns den Divergenzbeweis exemplarisch an folgender Aufgabe an:
„Divergiert die Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} mit a_{n}=2^{n}? Beweise deine Behauptung.“
Auch hier können wir mit den obigen Techniken (erste Folgenglieder berechnen, große Folgenglieder ausrechnen usw.) eine Vermutung aufstellen, ob diese Folge divergiert. Wir sehen aber schnell, dass die Folge über alle Grenzen hinweg wächst und sich dabei keiner reellen Zahl annähert. Die Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} sollte also divergieren. Jetzt versuchen wir, einen Beweis für diese Behauptung zu finden.

Lösungsweg

Kern des späteren Beweises ist die zu zeigende Ungleichungskette
|a_{n}-a|\geq \ldots \geq \epsilon
Starten wir also wieder mit dem Betrag |a_{n}-a|. Auf einem Schmierblatt versuchen wir diesen Ausdruck so lange zu vereinfachen und nach unten abzuschätzen, bis wir einen Term \epsilon >0 haben. a ist dabei beliebig vorgegeben und wir können keinen Einfluss auf den Wert von a nehmen. Schließlich müssen wir den Beweis für alle Zahlen a\in \mathbb{R} führen.
Jedoch können wir \epsilon und n frei wählen. Es muss nur gesichert sein, dass \epsilon >0 und n\geq N ist, wobei N eine beliebige natürliche Zahl ist. Da \epsilon nach a im Beweis eingeführt wird, darf \epsilon von a abhängen (jedoch nicht von n). Die natürliche Zahl n darf sowohl von a, als auch von \epsilon abhängen. Wir können also während der Abschätzung nach unten beliebige Bedingungen an \epsilon und n sammeln. Diese Bedingungen werden zum Schluss ähnlich wie beim Konvergenzbeweis zusammengefasst.
Fangen wir also an mit |2^{n}-a|. Um den Term zu vereinfachen, können wir 2^{n}\geq a fordern, weil wir dann den Betrag weglassen können. Dass für ein n\in \mathbb{N} die Ungleichung 2^{n}\geq a erfüllt ist, erhalten wir aus den error: internal links not implemented, yet! . Eine davon besagt:
„Für jede Zahl p>1 und jede Zahl M\in \mathbb{R} gibt es ein n\in \mathbb{N} , so dass p^{n}>M ist.“
Wir müssen nur M=a und p=2 setzen. So erhalten wir mit der Bedingung 2^{n}\geq a:
|2^{n}-a|=2^{n}-a
Nun müssen wir 2^{n}-a\geq \epsilon beweisen, also formen wir dies durch Äquivalenzumformungen um:
2^{n}-a\geq \epsilon \iff 2^{n}\geq a+\epsilon
So erhalten wir die neue Bedingung 2^{n}\geq a+\epsilon , womit wir die letzte Ungleichung beweisen können. Für \epsilon haben wir noch keine Bedingungen und können damit diese Zahl frei wählen. Dass es tatsächlich für jedes \epsilon ein n gibt mit 2^{n}\geq a+\epsilon , liegt daran, dass wir die Folgerung aus der Bernoulli-Ungleichung auch mit M=a+\epsilon benutzen können. Wir müssen nur aufpassen, dass \epsilon >0 ist. So wählen wir einfach \epsilon =1. Für n haben wir die beiden Bedingungen 2^{n}\geq a und 2^{n}\geq a+\epsilon =a+1. Also wählen wir 2^{n}\geq \max\{a,\,a+1\}=a+1, um beide Bedingungen zusammenzufassen.

Beweis aufschreiben

Nun haben wir alle notwendigen Schritte, um den Beweis zu führen:
Beweis:
Beweis
Sei a\in \mathbb{R} beliebig. Wähle \epsilon =1. Sei N\in \mathbb{N} beliebig. Wähle n\geq N so, dass 2^{n}\geq a+1 ist. Dies ist aufgrund der Folgerungen aus der Bernoulli-Ungleichung möglich. Es ist nun
{\begin{aligned}|2^{n}-a|&=2^{n}-a\geq (a+1)-a=1=\epsilon \end{aligned}}

Weitere Beweismethoden für Konvergenz und Divergenz

In den obigen beiden Abschnitten haben wir die Konvergenz beziehungsweise die Divergenz einer Folge direkt über die Epsilon-Definition des Grenzwerts geführt. In den folgenden Kapiteln wirst du auch folgende weitere Möglichkeiten kennen lernen, mit denen du Beweise zur Konvergenz und Divergenz führen kannst: