Warum Riemannintegrale?

Integrale als orientierter Flächeninhalt

In der Schule wird der Ausdruck \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x als orientierter Flächeninhalt zwischen dem Graphen von f und der x-Achse im Intervall [a,b] definiert. Dabei bedeutet „orientiert“, dass Flächeninhalte oberhalb der x-Achse positiv und Flächeninhalte unterhalb negativ gewertet werden:
Das Integral ist der orientierte Flächeninhalt unter dem Graphen (Actam, KSmrq~commonswiki: CC-BY-SA-3.0)
Diese Definition ist vordergründig ausreichend, zeigt aber bei genauerer Betrachtung Probleme. So ist der Begriff des „Flächeninhalts“ nicht mathematisch präzise definiert. Auch ist nicht klar, ob die Bestimmung des „Flächeninhalts unter dem Graphen“ immer funktioniert.

Eine seltsame Funktion

Wir definieren die Funktion f:[0,1]\to \mathbb{R} für x\in [0,1] folgendermaßen:
f(x)={\begin{cases}1&{\text{falls }}x\in \mathbb{Q} \\0&{\text{sonst}}\end{cases}}
Dies ist die sogenannte „Dirichlet-Funktion“. Sie ist eingeschränkt auf das Intervall [0,1]. Sie nimmt bei allen rationalen Zahlen den Wert 1 und bei allen irrationalen Zahlen den Wert 0 an. Das Zeichnen des zugehörigen Funktionsgraphen stellt uns vor große Probleme. Der Funktionswert wechselt ständig zwischen 0 und 1 hin und her (damit ist die Funktion nirgends stetig). Da in jedem noch so kleinen Intervall [a,b] mit a<b sowohl rationale als auch irrationale Zahlen liegen, besteht der Graph von f aus zwei Ansammlungen von Punkten – einmal auf Höhe 0 und einmal auf Höhe 1 –, die wie zwei durchgängige Strecken aussehen:
Graph der Dirichlet-Funktion (MartinThoma: CC BY 3.0)
Wir können nicht genau sagen, ob der Flächeninhalt zwischen der x-Achse und dem Graphen von f den Wert 0, 1 oder etwas dazwischen haben sollte. Durch die Einführung des Riemannintegrals stellen wir aber tatsächlich fest, dass diese Funktion nicht riemannintegrierbar ist.

Notwendigkeit einer präzisen Definition

Am Beispiel der Dirichlet-Funktion sieht man, dass nicht bei jeder Funktion der Flächeninhalt unter dem Graphen bestimmt werden kann. Wir brauchen also eine Methode für die Entscheidung, ob der Flächeninhalt unter dem Graphen existiert und, falls ja, wie groß er ist. Eine solche Methode bietet das Riemannintegral. Es erlaubt uns zu entscheiden, welche Funktionen integrierbar sind (sprich: bei welchen ein orientierter Flächeninhalt unter dem Graphen bestimmt werden kann). Ferner können wir mit ihm die Eigenschaften von Integralen beweisen.

Herleitung des Riemannintegrals

Ein Verfahren zur Abschätzung des Integrals

Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine stetige Funktion. Zunächst können wir versuchen, den Flächeninhalt von f unter dem Graphen abzuschätzen. Da f stetig ist, nimmt sie ihr Maximum M und Minimum m an. Der gesuchte Flächeninhalt ist nicht größer als der Flächeninhalt des Rechtecks mit der Breite b-a und der Höhe M. Auch ist er nicht kleiner als die Fläche des Rechtecks mit der Breite b-a und der Höhe m:
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Wir erhalten als Abschätzung:
{\color {WildStrawberry}\underbrace {(b-a)\cdot m}_{{{\text{kleines Rechteck}}}}}\leq \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\color {NavyBlue}\underbrace {(b-a)\cdot M}_{{{\text{großes Rechteck}}}}}
Diese Abschätzung ist noch nicht besonders gut. Besser wird sie durch eine Aufteilung des Intervalls in zwei Teilintervalle \left[a,{\tfrac {a+b}{2}}\right] und \left[{\tfrac {a+b}{2}},b\right]. In beiden Teilintervallen kann der Flächeninhalt mit Hilfe des jeweiligen Minimums und Maximums abgeschätzt werden. Die Flächen der Rechtecke mit der Höhe des jeweiligen Funktionsmaximums und der halben Intervalllänge als Breite schätzen den Flächeninhalt nach oben ab. Mit Hilfe der analogen Rechtecke mit den Funktionsminima als Höhe kann der Flächeninhalt nach unten abgeschätzt werden:
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Seien M_{1} und M_{2} die Maxima von f auf den Intervallen \left[a,{\tfrac {a+b}{2}}\right] und \left[{\tfrac {a+b}{2}},b\right] und seien m_{1} und m_{2} die jeweiligen Minima. Der orientierte Flächeninhalt unter f kann nun folgendermaßen abgeschätzt werden:
{\color {WildStrawberry}\underbrace {{\frac {b-a}{2}}\cdot m_{1}}_{{{\text{kl. Rechteck 1}}}}+\underbrace {{\frac {b-a}{2}}\cdot m_{2}}_{{{\text{kl. Rechteck 2}}}}}\leq \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\color {NavyBlue}\underbrace {{\frac {b-a}{2}}\cdot M_{1}}_{{{\text{gr. Rechteck 1}}}}+\underbrace {{\frac {b-a}{2}}\cdot M_{2}}_{{{\text{gr. Rechteck 1}}}}}
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Die dabei auftretende Summe {\tfrac {b-a}{2}}\cdot M_{1}+{\tfrac {b-a}{2}}\cdot M_{2}, die den Flächeninhalt unter dem Graphen von f nach oben abschätzt, wird Obersumme genannt. Entsprechend heißt die Summe für die Abschätzung nach unten Untersumme . Noch besser wird die Abschätzung, wenn wir diesen Prozess fortführen und das Intervall in 4, 8, 16, ... Teilintervalle zerlegen. Bei 32 Teilintervallen erhalten wir:
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Bei 2^{n} Teilintervallen erhalten wir die Intervalle I_{{k,n}}=\left[a+(k-1){\tfrac {b-a}{2^{n}}},a+k{\tfrac {b-a}{2^{n}}}\right], wobei k eine Zahl zwischen 1 und 2^{n} ist. Sei M_{{k,n}} das Maximum und m_{{k,n}} das Minimum von f im k-ten Intervall I_{{k,n}}. Der orientierte Flächeninhalt unter dem Graphen von f kann nun abgeschätzt werden über:
{\color {WildStrawberry}\underbrace {\sum _{{k=1}}^{{2^{n}}}{\frac {b-a}{2^{n}}}\cdot m_{{k,n}}}_{{{\text{Untersumme}}}}}\leq \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\color {NavyBlue}\underbrace {\sum _{{k=1}}^{{2^{n}}}{\frac {b-a}{2^{n}}}\cdot M_{{k,n}}}_{{{\text{Obersumme}}}}}
Obige Abschätzung sollte mit wachsendem n immer besser werden, da die Einteilung des Grundintervalls [a,b] immer besser wird. Wir vermuten, dass mit der Anzahl der Unterteilungen der Fehler zwischen der Abschätzung nach oben bzw. nach unten und dem tatsächlichen Flächeninhalt immer kleiner wird. Im Grenzwert n\to \infty sollte sowohl die Abschätzung nach oben als auch die Abschätzung nach unten gegen den orientierten Flächeninhalt konvergieren. Es sollte also gelten:
\lim _{{n\to \infty }}\sum _{{k=1}}^{{2^{n}}}{\frac {b-a}{2^{n}}}\cdot m_{{k,n}}=\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x=\lim _{{n\to \infty }}\sum _{{k=1}}^{{2^{n}}}{\frac {b-a}{2^{n}}}\cdot M_{{k,n}}
Durch Unterteilung des Grundintervalls in 2^{n} konnten wir eine Ober- bzw. eine Untersumme bilden. Diese schätzen den orientierten Flächeninhalt unter dem Graphen von f nach oben bzw. nach unten ab. Mit wachsendem n wird diese Abschätzung immer besser und mit dem Grenzübergang n\to \infty konvergiert sowohl die Ober- als auch die Untersumme gegen den tatsächlichen orientierten Flächeninhalt von f. Damit haben wir ein Verfahren gefunden, um den orientierten Flächeninhalt einer Funktion zu bestimmen.

Zerlegungen

Bisher haben wir das Grundintervall in 2^{n} gleich große Teilintervalle zerlegt. Jedoch kann bei einer beliebigen Unterteilung des Grundintervalls mit beliebig vielen und beliebig großen Teilintervallen eine Abschätzung nach oben und nach unten nach dem obigen Verfahren gebildet werden. Dadurch kann unser Verfahren verallgemeinert werden. Dies kann beispielsweise genutzt werden, um kleinere Teilintervalle in den Bereichen zu wählen, wo sich die Funktion stark ändert. Damit kann die Qualität der Abschätzung verbessert werden. Die folgende Abbildung zeigt eine Unterteilung von [a,b] in zehn unterschiedlich große Teilintervalle:
Zerlegung eines Intervalls [a,b] in n=10 Teilintervalle (Autorenkollektiv „Auswahlaxiom“ (Charlotte Dietze, Matthias Paulsen, Anne Reif): CC BY-SA 4.0)
Um eine solche Unterteilung zu definieren, reicht es, die Zahlen x_{1},\ldots ,x_{{n-1}} anzugeben. Zusammen mit a und b bilden sie die Randpunkte der Teilintervalle. Die Zahlen a,x_{1},\ldots ,x_{{n-1}},b werden deswegen Stützstellen genannt. Für eine einheitliche Notation definiert man x_{0}=a und x_{n}=b. Das Tupel aller Stützstellen (x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) wird Zerlegung des Intervalls [a,b] genannt.
Bei einer gegebenen Zerlegung (x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) ist [x_{{k-1}},x_{k}] mit 1\leq k\leq n das k-te Teilintervall. Seine Länge ist x_{k}-x_{{k-1}}. Fassen wir zusammen:
Definition: Zerlegung
Sei ein Intervall [a,b] mit a,b\in \mathbb{R} und a\leq b gegeben. Ein (n+1)-Tupel \Delta =(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) ist genau dann eine Zerlegung des Intervalls [a,b], wenn a=x_{0}<x_{1}<\ldots <x_{n}=b. Die Zahlen des Tupels werden Stützstellen der Zerlegung genannt.
Im obigen Verfahren haben wir die Teilintervalle der Zerlegung durch Hinzunahme von Stützstellen weiter unterteilt. Eine solche Zerlegung, die wir durch Hinzunahme von weiteren Stützstellen erhalten, wird Verfeinerung der Zerlegung genannt:
Definition: Verfeinerung einer Zerlegung
Seien a,b\in \mathbb{R} mit a\leq b. Seien \Delta =(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) und {\tilde \Delta }=(y_{0},y_{1},\ldots ,y_{m}) zwei Zerlegungen des Intervalls [a,b]. Dann heißt {\tilde \Delta } eine Verfeinerung von \Delta , wenn \{x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}\}\subseteq \{y_{0},y_{1},\ldots y_{m}\} gilt. {\tilde \Delta } enthält also (neben möglicherweise zusätzlichen Stützstellen) alle Stützstellen von \Delta .
Durch zusätzliche Stützstellen wollen wir die Approximation des orientierten Flächeninhalts durch Ober- und Untersumme verbessern. Dabei ist es notwendig, dass die Teilintervalle immer kleiner werden. Um insgesamt die Güte einer Zerlegung zu beurteilen, nennen wir die Länge des größten Teilintervalls die Feinheit der Zerlegung . Diese sollte im Laufe der Abschätzung immer kleiner werden und im Grenzwert gegen Null konvergieren:
Definition: Feinheit
Es sei eine Zerlegung \Delta =(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) eines Intervalls [a,b] mit a,b\in \mathbb{R} und a\leq b gegeben. Wir definieren die Feinheit |\Delta | der Zerlegung \Delta durch
|\Delta |:=\max\{x_{1}-x_{0},x_{2}-x_{1},\ldots ,x_{n}-x_{{n-1}}\}

Ober- und Untersummen

Sei nun f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beliebige und nicht unbedingt stetige Funktion. Durch \sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x) finden wir die (kleinste) obere Schranke für die Funktionswerte von f im Teilintervall [x_{{k-1}},x_{k}]. Analog finden wir über \inf _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x) eine Abschätzung nach unten für die Funktionswerte von f. Damit alle Suprema und Infima existieren, nehmen wir zusätzlich an, dass f beschränkt ist. Diese Suprema können nun benutzt werden, um den Flächeninhalt nach oben und nach unten durch Rechtecke zu bestimmen:
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Das Produkt (x_{{k-1}}-x_{k})\cdot \sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x) ist der Flächeninhalt des Rechtecks über dem Teilintervall [x_{{k-1}},x_{k}] mit der Höhe \sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x). Es ist eine Abschätzung nach oben für den Flächeninhalt unter f eingeschränkt auf [x_{{k-1}},x_{k}]. Durch Summation dieser Produkte für alle Teilintervalle erhält man insgesamt die Abschätzung des Flächeninhalts nach oben für diese Zerlegung:
\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\color {NavyBlue}\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)}
Analog können wir den Flächeninhalt auch nach unten abschätzen und erhalten so:
{\color {WildStrawberry}\underbrace {\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\inf _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)}_{{{\text{Untersumme}}}}}\leq \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\color {NavyBlue}\underbrace {\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)}_{{{\text{Obersumme}}}}}
Die jeweiligen Summen werden Ober- und Untersumme genannt:
Definition: Ober- und Untersummen
Für eine Zerlegung \Delta =(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) des Intervalls [a,b] und eine beschränkte Funktion f:[a,b]\to \mathbb{R} definieren wir die Obersumme
O(\Delta ,f):=\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)
Die Definition der Untersumme lautet:
U(\Delta ,f):=\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\inf _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)

Oberes und unteres Integral

Mit jeder Obersumme O(\Delta ,f) haben wir eine Abschätzung des Flächeninhalts nach oben, die bei feineren Zerlegungen immer besser wird. Im Grenzwert beliebig feiner Zerlegungen sollte die Obersumme O(\Delta ,f) gegen den tatsächlichen Flächeninhalt streben. Die „kleinstmögliche“ Obersumme sollte also der gesuchte Flächeninhalt sein. „Kleinstmöglich“ steht in Anführungszeichen, da sich jede Obersumme vom tatsächlichen Flächeninhalt unterscheiden kann. Der Unterschied kann aber beliebig klein werden (wenn die Zerlegung hinreichend fein gewählt wird). Deswegen müssen wir „kleinstmöglich“ durch den „kleinstmöglichen Grenzwert von Obersummen“ bzw. die „größtmögliche untere Schranke für alle Obersummen“ ersetzen. Wir bilden also das Infimum \inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f) der Menge aller möglichen Obersummen und dieses sollte der orientierten Fläche unter dem Graphen entsprechen. Wir nennen dieses Infimum oberes Integral , da es durch Abschätzungen nach oben gewonnen wird. Als Schreibweise wählen wir {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x. Analog können wir das untere Integral als Supremum aller Untersummen definieren:
Definition: Oberes und unteres Integral
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion. Wir definieren das obere Integral {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x und das untere Integral {\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x über
{\begin{aligned}{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x&:=\inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f)\\[0.3em]{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x&:=\sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f)\end{aligned}}

Definition des Riemannintegrals

Was passiert bei Funktionen, denen man nicht sinnvoll einen Flächeninhalt unter dem Graphen zuordnen kann? Denken wir an die Dirichlet-Funktion f:[a,b]\to \mathbb{R} , die bei rationalen Zahlen den Wert 1 und bei irrationalen Zahlen den Wert 0 hat. Jedes Teilintervall [x_{{k-1}},x_{k}] besitzt sowohl rationale als auch irrationale Zahlen. Damit ist der maximale Funktionswert von f auf [x_{{k-1}},x_{k}] stets 1 und der minimale Funktionswert ist gleich 0. Unabhängig von der Zerlegung \Delta erhalten wir:
{\begin{aligned}O(\Delta ,f)&=\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\underbrace {\sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)}_{{=\ 1}}=\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\\[0.5em]&=(x_{1}-x_{0})+(x_{2}-x_{1})+\ldots +(x_{n}-x_{{n-1}})=x_{n}-x_{0}=b-a\\[0.5em]U(\Delta ,f)&=\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\underbrace {\inf _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)}_{{=\ 0}}=\sum _{{k=1}}^{{n}}0=0\end{aligned}}
Damit haben wir
{\begin{aligned}{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x&=\inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f)=\inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}(b-a)=b-a\\[0.5em]{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x&=\sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f)=\sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}0=0\end{aligned}}
Bei der Dirichlet-Funktion stimmt das obere mit dem unteren Integral nicht überein und so erhalten wir kein eindeutiges Ergebnis für den orientierten Flächeninhalt unter dem Graphen. Was tun? Wir führen eine Klassifikation in "schöne" und "unschöne" Funktionen ein. Bei "schönen" Funktionen stimmt das obere mit dem unteren Integral überein. Beide Verfahren liefern dasselbe Ergebnis und wir können dieses als orientierten Flächeninhalt unter dem Graphen definieren. Solche "schönen" Funktionen nennen wir riemannintegrierbar oder kurz integrierbar .
Bei "unschönen" Funktionen liefern das obere und das untere Integral unterschiedliche Ergebnisse. Es ist nicht eindeutig, was der Flächeninhalt unter dem Graphen sein soll und wir behaupten deshalb, dass dieses (nach unserem Verfahren) nicht existiert. Solche "unschönen" Funktionen heißen deshalb nicht riemannintegrierbar .
Definition: Riemannintegral
Eine Funktion f:[a,b]\to \mathbb{R} heißt riemannintegrierbar , wenn f beschränkt ist und {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x={\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x. Dann definieren wir das (Riemann-)Integral durch
\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x:={\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x={\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x

Abschätzung zwischen oberem und unterem Integral

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Nach unserem Verfahren sollte gelten:
{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\leq \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x
Damit müsste gelten:
{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\leq {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x
Damit unser Verfahren sinnvoll ist, müssen wir obige Ungleichung beweisen. Das untere Integral soll schließlich den Flächeninhalt nach unten und das obere Integral den Flächeninhalt nach oben abschätzen. Um diese Ungleichung herzuleiten, können wir folgendermaßen vorgehen:
  1. Wir zeigen, dass die Obersumme größer als die Untersumme bei gleicher Zerlegung ist.
  2. Als nächstes beweisen wir, dass die Obersumme bei einer Verfeinerung der Zerlegung kleiner und die Untersumme bei einer Verfeinerung größer wird.
  3. Nun betrachten wir beliebige Zerlegungen \Delta _{1} und \Delta _{2}. Da wir eine gemeinsame Verfeinerung beider Zerlegungen finden, können wir mit Hilfe der ersten beiden Schritte zeigen, dass jede Obersumme größer als jede Untersumme ist.
  4. Aus dem dritten Schritt können wir folgern, dass das untere Integral kleiner gleich dem oberen Integral sein muss.

Abschätzung zwischen Ober- und Untersummen bei gleicher Zerlegung

Satz: Abschätzung zwischen Ober- und Untersummen bei gleicher Zerlegung
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion und \Delta =(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) eine Zerlegung des Intervalls [a,b]. Dann gilt
O(\Delta ,f)\geq U(\Delta ,f)
Beweis
Es gilt:
{\begin{aligned}&O(\Delta ,f)\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ \sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\geq \inf _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\right.}\\[0.3em]\geq \ &\sum _{{k=1}}^{{n}}(x_{k}-x_{{k-1}})\inf _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)\\[0.3em]=\ &U(\Delta ,f)\end{aligned}}

Abschätzung von Unter- bzw. Obersummen bezüglich Verfeinerungen

Satz: Abschätzung von Unter- bzw. Obersummen bezüglich Verfeinerungen
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion und {\tilde \Delta }=(y_{0},y_{1},\ldots ,y_{m}) eine Verfeinerung der Zerlegung \Delta =(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) des Intervalls [a,b]. Dann gelten die beiden Abschätzungen:
{\begin{aligned}O({\tilde \Delta },f)&\leq O(\Delta ,f)\\[0.3em]U({\tilde \Delta },f)&\geq U(\Delta ,f)\end{aligned}}
Beweis
Da {\tilde \Delta } eine Verfeinerung von \Delta ist, sind alle Stützstellen von \Delta auch in {\tilde \Delta } enthalten. Für jede Stützstelle x_{k} aus \Delta muss es also eine Stützstelle y_{l} aus {\tilde \Delta } mit x_{k}=y_{l} geben. Sei l_{k} der Index für eine Stützstelle aus {\tilde \Delta }, so dass x_{k}=y_{{l_{k}}} ist. Durch geschickte Umformungen erhalten wir:
{\begin{aligned}O({\tilde \Delta },f)&=\sum _{{i=1}}^{{m}}(y_{i}-y_{{i-1}})\sup _{{x\in [y_{{i-1}},y_{i}]}}f(x)\\[0.3em]&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\sum _{{i=l_{k}+1}}^{{l_{{k+1}}}}(y_{i}-y_{{i-1}})\sup _{{x\in [y_{{i-1}},y_{i}]}}f(x)\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\begin{aligned}&[y_{{i-1}},y_{i}]\subseteq \left[y_{{l_{k}}},y_{{l_{{k+1}}}}\right]=[x_{k},x_{{k+1}}]\\[0.3em]\implies &\sup _{{x\in [y_{{i-1}},y_{i}]}}f(x)\leq \sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\end{aligned}}\right.}\\[0.3em]&\leq \sum _{{k=0}}^{{n-1}}\sum _{{i=l_{k}+1}}^{{l_{{k+1}}}}(y_{i}-y_{{i-1}})\sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\\[0.3em]&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left(\sum _{{i=l_{k}+1}}^{{l_{{k+1}}}}(y_{i}-y_{{i-1}})\right)\cdot \sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\\[0.3em]&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left(y_{{l_{{k+1}}}}-y_{{l_{k}}}\right)\cdot \sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\\[0.3em]&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left(x_{{k+1}}-x_{k}\right)\cdot \sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}f(x)\\[0.3em]&=\sum _{{k=1}}^{{n}}\left(x_{{k}}-x_{{k-1}}\right)\cdot \sup _{{x\in [x_{{k-1}},x_{k}]}}f(x)\\[0.3em]&=O(\Delta ,f)\end{aligned}}
Analog kann U({\tilde \Delta },f)\geq U(\Delta ,f) bewiesen werden.

Abschätzung zwischen beliebigen Ober- und Untersummen

Jede Obersumme ist mindestens so groß wie eine beliebige Untersumme:
Satz: Abschätzung zwischen beliebigen Ober- und Untersummen
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion und seien \Delta _{1}=(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}) und \Delta _{2}=(w_{0},w_{1},\ldots ,w_{l}) Zerlegungen des Intervalls [a,b]. Dann gilt
O(\Delta _{1},f)\geq U(\Delta _{2},f)
Beweis
Sortieren wir die Elemente der Vereinigung \{x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}\}\cup \{w_{0},w_{1},\ldots ,w_{l}\} aufsteigend nach ihrer Größe, so erhalten wir eine Zerlegung {\tilde \Delta }=(y_{0},y_{1},\ldots ,y_{m}). Diese erfüllt die Eigenschaft \{x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}\}\cup \{w_{0},w_{1},\ldots ,w_{l}\}=\{y_{0},y_{1},\ldots ,y_{m}\}. Damit ist {\tilde \Delta } sowohl eine Verfeinerung von \Delta _{1} als auch von \Delta _{2}. Nach dem Satz zu Ober- bzw. Untersummen für Verfeinerungen ist O({\tilde \Delta },f)\leq O(\Delta _{1},f) und U({\tilde \Delta },f)\geq U(\Delta _{2},f). Außerdem gilt O({\tilde \Delta },f)\geq U({\tilde \Delta },f) nach dem Satz zur Ober- und Untersumme bei gleicher Verfeinerung. Insgesamt ergibt sich die Ungleichungskette
O(\Delta _{1},f)\geq O({\tilde \Delta },f)\geq U({\tilde \Delta },f)\geq U(\Delta _{2},f)

Abschätzung zwischen oberem und unterem Integral

Satz: Abschätzung zwischen oberem und unterem Integral
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion. Dann gilt:
{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\geq {\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x
Beweis
Es gilt:
{\begin{aligned}{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x&=\inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f)\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ O(\Delta _{1},f)\geq U(\Delta _{2},f){\text{ für alle Zerlegungen }}\Delta _{1},\Delta _{2}\right.}\\[0.3em]&\geq \sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f)={\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\end{aligned}}

Kriterien für Riemannintegrierbarkeit

Epsilon-Kriterium für Riemannintegrierbarkeit

Das Epsilon-Kriterium sagt aus, dass eine Funktion genau dann riemannintegrierbar ist, wenn der Unterschied zwischen Ober- und Untersumme beliebig klein gemacht werden kann:
Satz: \epsilon -Kriterium
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion. Dann ist f genau dann riemannintegrierbar, wenn es für alle \epsilon >0 eine Zerlegung {\tilde \Delta } des Intervalls [a,b] gibt, sodass gilt
O({\tilde \Delta },f)-U({\tilde \Delta },f)<\epsilon
Beweis
Beweisschritt: Hinrichtung
Wir beweisen zunächst, dass aus der angegebenen Bedingung die Riemannintegrierbarkeit von f folgt. Sei \epsilon >0 und {\tilde \Delta } eine Zerlegung mit O({\tilde \Delta },f)-U({\tilde \Delta },f)<\epsilon . Es gilt
{\begin{aligned}U({\tilde \Delta },f)&\leq \sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f)={\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\\[0.3em]O({\tilde \Delta },f)&\geq \inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f)={\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\end{aligned}}
Es folgt
\epsilon >O({\tilde \Delta },f)-U({\tilde \Delta },f)\geq {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x-{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x
Nun ist {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\geq {\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x und damit {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x-{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\geq 0. Für jedes \epsilon >0 ist damit folgende Ungleichungskette erfüllt:
\epsilon >{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x-{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x\geq 0
Damit diese Ungleichungskette für alle \epsilon >0 erfüllt ist, muss {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x={\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x gelten. Es ist also f riemannintegrierbar.
Beweisschritt: Rückrichtung
Wir setzen nun umgekehrt voraus, dass f riemannintegrierbar ist. Sei ein \epsilon >0 vorgegeben. Wegen {\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x=\sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f) existiert eine Zerlegung \Delta _{-} mit U(\Delta _{-},f)>{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x-{\tfrac \epsilon 2}. Dies ist eine Folgerung aus der Definition des Supremums.
Analog finden wir eine Zerlegung \Delta _{+} mit O(\Delta _{+},f)<{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x+{\tfrac \epsilon 2}. Sei nun {\tilde \Delta } eine gemeinsame Verfeinerung von \Delta _{-} und \Delta _{+}. Wir wissen, dass O({\tilde \Delta },f)\leq O(\Delta _{+},f) und U({\tilde \Delta },f)\geq U(\Delta _{-},f) gilt. Also ist
{\begin{aligned}&O({\tilde \Delta },f)-U({\tilde \Delta },f)\\[0.3em]\leq \ &O(\Delta _{+},f)-U(\Delta _{-},f)\\[0.3em]<\ &\left({\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x+{\frac \epsilon 2}\right)-\left({\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x-{\frac \epsilon 2}\right)\\[0.3em]=\ &{\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x-{\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x+\epsilon \\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\overline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x={\underline {\int _{a}^{b}}}f(x)\,{\mathrm d}x{\text{, da }}f{\text{ riemannintegrierbar ist}}\right.}\\[0.3em]=\ &\epsilon \end{aligned}}

Folgenkriterium

TODO: Quelltext muss formartiert werden und die neue Notation muss eingebaut werden -- error: internal links not implemented, yet! 19:06, 19. Okt. 2017 (CEST)
Alternativ lassen sich riemannintegrierbare Funktionen dadurch charakterisieren, dass es eine Folge von Zerlegungen gibt, für die Ober- und Untersumme den gleichen Grenzwert haben.
Satz: Folgenkriterium
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine beschränkte Funktion. Dann ist f genau dann riemannintegrierbar, wenn es eine Folge \Delta _{1},\Delta _{2},\ldots von Zerlegungen des Intervalls [a,b] gibt, für die gilt, dass
\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)
In diesem Fall gilt
\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x=\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)
Beweis
Sei (\Delta _{n})_{{n\in \mathbb{N} }} eine Folge von Zerlegungen des Intervalls [a,b] mit der Eigenschaft \lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f). Für alle n\in \mathbb{N} gilt
{\begin{aligned}I_{-}(f,[a,b])&=\sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f)\geq U(\Delta _{n},f)\\[0.3em]I_{+}(f,[a,b])&=\inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f)\leq O(\Delta _{n},f)\end{aligned}}
Also ist auch
I_{-}(f,[a,b])\geq \lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)\geq I_{+}(f,[a,b])
Weil I_{+}(f,[a,b])\geq I_{-}(f,[a,b]) immer gilt, muss
I_{-}(f,[a,b])=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=I_{+}(f,[a,b])
gelten. Daher ist f riemannintegrierbar und es gilt
\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x=\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)
Sei umgekehrt vorausgesetzt, dass f riemannintegrierbar ist. Für alle n\in \mathbb{N} finden wir Zerlegungen \Delta _{{n,+}} und \Delta _{{n,-}} mit O(\Delta _{{n,+}},f)<I_{+}(f,[a,b])+{\tfrac 1n} und U(\Delta _{{n,-}},f)>I_{-}(f,[a,b])-{\tfrac 1n}. Definieren wir \Delta _{n} als die gemeinsame Verfeinerung von \Delta _{{n,+}} und \Delta _{{n,-}}, so gilt O(\Delta _{n},f)<I_{+}(f,[a,b])+{\tfrac 1n} und U(\Delta _{n},f)>I_{-}(f,[a,b])-{\tfrac 1n}. Somit erhalten wir
\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=I_{+}(f,[a,b])=\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x=I_{-}(f,[a,b])=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)
Dies war zu zeigen.

Berechnung des Riemannintegrals

Um das Integral einer riemannintegrierbaren Funktion zu berechnen, ist es unpraktisch, alle möglichen Zerlegungen zu betrachten. Auch wenn wir obigen Satz anwenden wollen, müssen wir erst eine Folge von Zerlegungen finden, für die Ober- und Untersumme den gleichen Grenzwert haben. Der folgende Satz besagt nun, dass es egal ist, welche Folge von Zerlegungen wir wählen. Das gesuchte Riemannintegral ergibt sich nämlich als Grenzwert von Ober- oder Untersumme einer beliebigen Folge von Zerlegungen, solange die Feinheit der Zerlegungen beliebig klein wird. Dies passt auch mit unseren vorherigen Überlegungen zusammen: Je "besser" eine Zerlegung \Delta ist, also je kleiner ihre Feinheit |\Delta | ist, desto genauer approximieren ihre Obersumme O(\Delta ,f) und ihre Untersumme U(\Delta ,f) das Riemannintegral \int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x.
Satz:
Sei f:[a,b]\to \mathbb{R} eine riemannintegrierbare Funktion. Dann gilt für alle Folgen \Delta _{1},\Delta _{2},\ldots von Zerlegungen des Intervalls [a,b] mit der Eigenschaft \lim _{{n\to \infty }}|\Delta _{n}|=0, dass
\int _{a}^{b}f(x)\,{\mathrm d}x=\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},f)=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},f)
TODO: Satz beweisen

Beispiele

Konstante Funktionen

Beispiel:
Beispiel
Seien a,b,c\in \mathbb{R} mit a\leq b. Ferner sei f:[a,b]\to \mathbb{R} definiert durch f(x)=c für alle x\in [a,b]. Die Funktion f ist somit konstant. Anschaulich ist die gesuchte Fläche \int _{a}^{b}f(x){\mathrm d}x ein Rechteck mit der Breite b-a und der Höhe c, also dem Flächeninhalt (b-a)c.
Nun wollen wir anhand unserer oben gegebenen Definition des Riemannintegrals überprüfen, ob f tatsächlich riemannintegrierbar ist und das Integral den erwarteten Wert annimmt. Dazu betrachten wir die Zerlegung {\tilde \Delta }=(a,b). Das ist die gröbste Möglichkeit, wie wir unser Intervall unterteilen können. Wir erhalten
{\begin{aligned}O({\tilde \Delta },f)&=(b-a)\sup _{{x\in [a,b]}}f(x)=(b-a)c\\[0.3em]U({\tilde \Delta },f)&=(b-a)\inf _{{x\in [a,b]}}f(x)=(b-a)c\end{aligned}}
Daher gilt
{\begin{aligned}I_{+}(f,[a,b])&=\inf _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}O(\Delta ,f)\leq O({\tilde \Delta },f)=(b-a)c\\[0.3em]I_{-}(f,[a,b])&=\sup _{{\Delta {\text{ Zerlegung}}}}U(\Delta ,f)\geq U({\tilde \Delta },f)=(b-a)c\end{aligned}}
Da stets I_{+}(f,[a,b])\geq I_{-}(f,[a,b]) gilt, können wir hieraus I_{+}(f,[a,b])=I_{-}(f,[a,b])=(b-a)c schließen. Das bedeutet, f ist riemannintegrierbar und es gilt
\int _{a}^{b}f(x){\mathrm d}x=(b-a)c

Die Identität

Als nächstes Beispiel wollen wir die Identitätsfunktion x\mapsto x auf dem Intervall [0,1] integrieren. Das ist schon schwieriger, weil wir den gesuchten Flächeninhalt durch feiner werdende Zerlegungen immer genauer annähern müssen, ohne den exakten Wert jemals zu erreichen.
Übung:
Berechne das Integral \int _{0}^{1}x{\mathrm d}x.
ZusammenfassungWir wählen eine Folge von Zerlegungen (\Delta _{n})_{{n\in \mathbb{N} }} des Intervalls [0,1], so dass \lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},x)=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},x)=:A gilt. Dann existiert das Integral \int _{0}^{1}x{\mathrm d}x nach dem Folgenkriterium und sein Wert ist A.
Für n\in \mathbb{N} sei \Delta _{n} die Zerlegung des Intervalls [0,1] in n gleich große Teilintervalle der Breite {\tfrac 1n}, also \Delta _{n}=\left({\tfrac 0n},{\tfrac 1n},\ldots ,{\tfrac nn}\right). Für die zugehörige Ober- und Untersumme ergeben sich
{\begin{aligned}O(\Delta _{n},x)&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left({\frac {k+1}n}-{\frac kn}\right)\sup _{{x\in [{\frac kn},{\frac {k+1}n}]}}x\\[0.3em]&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}{\frac 1n}\cdot {\frac {k+1}n}\\[0.3em]&={\frac 1{n^{2}}}\sum _{{k=0}}^{{n-1}}(k+1)\\[0.3em]&={\frac 1{n^{2}}}\sum _{{k=1}}^{n}k\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\textstyle \sum _{{k=1}}^{n}k={\frac {n(n+1)}2}}\right.}\\[0.3em]&={\frac 1{n^{2}}}\cdot {\frac {n(n+1)}2}\\[0.3em]&={\frac {n+1}{2n}}\\[0.3em]&={\frac 12}+{\frac 1{2n}}\\[0.3em]U(\Delta _{n},x)&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left({\frac {k+1}n}-{\frac kn}\right)\inf _{{x\in [{\frac kn},{\frac {k+1}n}]}}x\\[0.3em]&=\sum _{{k=0}}^{{n-1}}{\frac 1n}\cdot {\frac kn}\\[0.3em]&={\frac 1{n^{2}}}\sum _{{k=0}}^{{n-1}}k\\[0.3em]&={\frac 1{n^{2}}}\sum _{{k=1}}^{{n-1}}k\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\textstyle \sum _{{k=1}}^{{n-1}}k={\frac {n(n-1)}2}}\right.}\\[0.3em]&={\frac 1{n^{2}}}\cdot {\frac {n(n-1)}2}\\[0.3em]&={\frac {n-1}{2n}}\\[0.3em]&={\frac 12}-{\frac 1{2n}}\end{aligned}}
Daher gilt
{\begin{aligned}\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},x)&=\lim _{{n\to \infty }}\left({\frac 12}+{\frac 1{2n}}\right)={\frac 12}\\[0.3em]\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},x)&=\lim _{{n\to \infty }}\left({\frac 12}-{\frac 1{2n}}\right)={\frac 12}\end{aligned}}
Das bedeutet, die Funktion x\mapsto x ist riemannintegrierbar auf dem Intervall [0,1] und es gilt
\int _{a}^{b}x{\mathrm d}x={\frac 12}

Eine quadratische Funktion

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Übung:
Berechne das Integral \int _{0}^{2}x^{2}{\mathrm d}x.
ZusammenfassungWir wählen eine Folge von Zerlegungen (\Delta _{n})_{{n\in \mathbb{N} }} des Intervalls [0,2], so dass \lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},x^{2})=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},x^{2})=:A gilt. Dann existiert das Integral \int _{0}^{2}x^{2}{\mathrm d}x nach dem Folgenkriterium und sein Wert ist A.
Wir suchen eine Folge von Zerlegungen (\Delta _{n})_{{n\in \mathbb{N} }} von [0,2], so dass \lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},x^{2})=\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},x^{2}). Dabei ist es sinnvoll, diese Folge so zu wählen, dass die Feinheit gegen 0 konvergiert, d.h. \lim _{{n\to \infty }}|\Delta _{n}|=0.
Für alle n\in \mathbb{N} definieren wir \Delta _{n}:=(0,1\cdot {\tfrac {2}{n}},2\cdot {\tfrac {2}{n}},3\cdot {\tfrac {2}{n}},\ldots ,(n-1)\cdot {\tfrac {2}{n}},2). Dann ist \Delta _{n} eine Zerlegung des Intervalls [0,2] und für alle n\in \mathbb{N} gilt |\Delta _{n}|={\tfrac {2}{n}}.
Sei n\in \mathbb{N} . Dann gilt mit \Delta _{n}=(0,1\cdot {\tfrac {2}{n}},2\cdot {\tfrac {2}{n}},3\cdot {\tfrac {2}{n}},\ldots ,(n-1)\cdot {\tfrac {2}{n}},2)=:(x_{0},x_{1},\ldots ,x_{n}), d.h. x_{k}=k\cdot {\tfrac {2}{n}} für k\in \{0,1,\ldots ,n\}, dass
{\begin{aligned}&O(\Delta _{n},x^{2})\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}(x_{{k+1}}-x_{k})\cdot \sup _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}x^{2}\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\textstyle x_{k}=k\cdot {\frac {2}{n}}}\right.}\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left((k+1)\cdot {\frac {2}{n}}-k\cdot {\frac {2}{n}}\right)\cdot \sup _{{x\in [k\cdot {\frac {2}{n}},(k+1)\cdot {\frac {2}{n}}]}}x^{2}\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}{\frac {2}{n}}\cdot \sup _{{x\in [k\cdot {\frac {2}{n}},(k+1)\cdot {\frac {2}{n}}]}}x^{2}\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ [0,2]\to \mathbb{R} ,x\mapsto x^{2}{\text{ ist monoton steigend}}\right.}\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}{\frac {2}{n}}\cdot \left((k+1)\cdot {\frac {2}{n}}\right)^{2}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}\sum _{{k=0}}^{{n-1}}(k+1)^{2}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}\sum _{{k=1}}^{n}k^{2}\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\textstyle \sum _{{k=1}}^{n}k^{2}={\frac {n(n+1)(2n+1)}{6}}}\right.}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}{\frac {n(n+1)(2n+1)}{6}}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}{\frac {2n^{3}+n^{2}+2n^{2}+n}{6}}\\[0.3em]\end{aligned}}
sowie
{\begin{aligned}&U(\Delta _{n},x^{2})\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}(x_{{k+1}}-x_{k})\cdot \inf _{{x\in [x_{k},x_{{k+1}}]}}x^{2}\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\textstyle x_{k}=k\cdot {\frac {2}{n}}}\right.}\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}\left((k+1)\cdot {\frac {2}{n}}-k\cdot {\frac {2}{n}}\right)\cdot \inf _{{x\in [k\cdot {\frac {2}{n}},(k+1)\cdot {\frac {2}{n}}]}}x^{2}\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}{\frac {2}{n}}\cdot \inf _{{x\in [k\cdot {\frac {2}{n}},(k+1)\cdot {\frac {2}{n}}]}}x^{2}\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ [0,2]\to \mathbb{R} ,x\mapsto x^{2}{\text{ ist monoton steigend}}\right.}\\[0.3em]=\ &\sum _{{k=0}}^{{n-1}}{\frac {2}{n}}\cdot \left(k\cdot {\frac {2}{n}}\right)^{2}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}\sum _{{k=0}}^{{n-1}}k^{2}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}\sum _{{k=1}}^{{n-1}}k^{2}\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ {\textstyle \sum _{{k=1}}^{{n-1}}k^{2}={\frac {n(n-1)(2n-1)}{6}}}\right.}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}{\frac {n(n-1)(2n-1)}{6}}\\[0.3em]=\ &{\frac {8}{n^{3}}}{\frac {2n^{3}-n^{2}-2n^{2}+n}{6}}\\[0.3em]\end{aligned}}
Daher gilt
{\begin{aligned}\lim _{{n\to \infty }}O(\Delta _{n},x^{2})&=\lim _{{n\to \infty }}\left({\frac {8}{n^{3}}}{\frac {2n^{3}+n^{2}+2n^{2}+n}{6}}\right)=\lim _{{n\to \infty }}\left({\frac {16n^{3}+24n^{2}+8n}{6n^{3}}}\right)={\frac {8}{3}}\\[0.3em]\lim _{{n\to \infty }}U(\Delta _{n},x^{2})&=\lim _{{n\to \infty }}\left({\frac {8}{n^{3}}}{\frac {2n^{3}-n^{2}-2n^{2}+n}{6}}\right)=\lim _{{n\to \infty }}\left({\frac {16n^{3}-24n^{2}+8n}{6n^{3}}}\right)={\frac {8}{3}}\\[0.3em]\end{aligned}}
Also ist die Funktion x\mapsto x^{2} riemannintegrierbar auf dem Intervall [0,2] und es gilt
\int _{a}^{b}x^{2}{\mathrm d}x={\frac {8}{3}}.