Da das Supremum auf Mengen angewandt wird, ist eine sehr naheliegende Frage: Was passiert mit dem Supremum, wenn wir die Menge verändern? Wenn wir sie mit einer anderen Menge beispielsweise schneiden oder vereinigen, wenn wir sie größer oder kleiner machen? Hier werden wir einige Regeln kennen lernen, die dir helfen werden, mit dem Supremum zu arbeiten.

Übersicht der Regeln zum Supremum und Infimum

Wir definieren zuerst einige Kurzschreibweisen.
Definition:
Für alle Mengen A,B\subseteq \mathbb{R} und alle \lambda \in \mathbb{R} definieren wir:
  • -A:=\{-x:x\in A\}
  • \lambda A:=\{\lambda x:x\in A\}
  • A+B:=\{a+b:a\in A,b\in B\}
  • A\cdot B:=\{a\cdot b:a\in A,b\in B\}
Für das Supremum und Infimum gelten folgende Regeln. Dabei ist A,B,D\subseteq \mathbb{R} und f,g:D\rightarrow \mathbb{R} sowie \lambda \in \mathbb{R} . Im Folgenden wird immer angenommen, dass das Supremum beziehungsweise das Infimum existiert.

Regeln für das Supremum

Frage: Warum gilt nicht \sup A\leq \sup B\Rightarrow A\subseteq B? Finde ein Gegenbeispiel!
Ein Gegenbeispiel hierfür ist A:=\{1\},B:=\{2\}.
Frage: Warum gilt nicht \sup(A\cap B)=\min\{\sup A,\sup B\}? Finde ein Gegenbeispiel!
Sei A=\{1,2\} und B=\{1,3\}. Dann gilt A\cap B=\{1\} und also \sup A\cap B=1, aber \sup A=2 und \sup B=3, also \min\{\sup A,\sup B\}=2.
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Frage: Warum gilt nicht \sup(f+g)(D)=\sup f(D)+\sup g(D)? Finde ein Gegenbeispiel!
Wir setzen D:=[0,1]. Als Funktionen wählen wir f:D\to \mathbb{R} ,x\mapsto x und g:D\to \mathbb{R} ,x\mapsto 1-x. Also ist (f+g):D\to \mathbb{R} ,x\mapsto 1. Es gilt
\sup(f+g)(D)=1<1+1=\sup f(D)+\sup g(D)

Regeln für das Infimum

Beweis der Regeln

In den folgenden Abschnitten werde ich die obigen Eigenschaften nur für das Supremum beweisen.

Supremum ist größer gleich dem Infimum

Satz:
Sei A eine nicht leere, beschränkte Menge. Es ist dann \sup A\geq \inf A.
Wie komme ich auf den Beweis?
Die Aussage bedeutet anschaulich gesprochen, dass die die kleinste obere Schranke einer Menge größer oder gleich als ihre die größte untere Schranke ist. Dies macht Sinn, da eine obere Schranke einer Menge immer größer oder gleich als die untere Schranke einer Menge sein sollte. Die einzige Schwierigkeit besteht nun darin, dies formal zu beweisen.
TODO: Lösungsweg ergänzen -> Wie ist der Gedankengang, der zur Lösung führt?
BeweisAls nicht leere Menge besitzt A mindestens ein Element x. Da \sup A eine obere Schranke ist, ist x\leq \sup A. Analog gilt \inf A\leq x. Insgesamt ist \inf A\leq x\leq \sup A und damit auch \inf A\leq \sup A.

Abschätzung des Supremums bei Teilmengen

Satz:
Ist A\subseteq B, dann ist \sup A\leq \sup B.
BeweisNach der ersten Supremumsbedingung ist \sup B eine obere Schranke von B, also wegen A\subseteq B insbesondere auch von A, d.h. für alle x\in A gilt x\leq \sup B. Das Supremum von A ist aber gerade charakterisiert als die kleinste obere Schranke von A, es muss also insbesondere kleiner oder gleich \sup B sein.

Supremum bei der Vereinigung

Satz:
Es ist
\sup(A\cup B)=\max\{\sup A,\sup B\}
Beweis
Ist x\in A\cup B, so ist x\in A oder x\in B. Nach der ersten Supremumsbedingung gilt somit x\leq \sup A oder x\leq \sup B. Also insbesondere x\leq \max\{\sup A,\sup B\}. Damit ist \max\{\sup A,\sup B\} eine obere Schranke von A\cup B.
Den zweiten Teil erhalten wir wie folgt: Es gilt immer \sup A\leq \sup B oder \sup B\leq \sup A. Gehen wir vom ersten Fall aus (falls wir nicht im ersten Fall sind, benennen wir unsere Mengen einfach um): Dann gilt für alle x\in A wegen der ersten Supremumsbedingung x\leq \sup A, aber wegen \sup A\leq \sup B auch x\leq \sup B und \sup B ist eine obere Schranke von A und nach Definition auch von B, also von A\cup B. Dass es auch die kleinste obere Schranke ist, folgt aus der zweiten Supremumsbedingung: Jede kleinere Zahl ist keine obere Schranke mehr von B, also auch nicht von A\cup B.

Supremum beim Schnitt

Satz:
Es ist
\sup(A\cap B)\leq \min\{\sup A,\sup B\}
BeweisDieser Teil folgt direkt aus 1. und der Tatsache, dass A\cap B\subseteq A und A\cap B\subseteq B gilt: \sup(A\cap B)\leq \sup A und \sup(A\cap B)\leq \sup B, also \sup A\cap B\leq \min\{\sup A,\sup B\}. Theoretisch sind wir damit mit dem Beweis fertig, aber es ist sicherlich illustrativ, so zu überlegen, warum hier im Allgemeinen eine Ungleichheit steht.

Supremum und Multiplikation mit -1

Satz:
Es ist
\sup(-A)=\sup(\{-x:x\in A\})=-\inf(A)
Beweis
Für alle x\in A gilt \inf(A)\leq x. Multiplikation der Ungleichung mit -1 ergibt gerade -x\leq -\inf(A). Da aber alle Elemente von -A von dieser Form sind, ist -\inf(A) eine obere Schranke für -A. Da jedoch das Supremum von -A die kleinste aller oberen Schranken ist, folgt \sup(-A)\leq -\inf(A).
Sei nun \varepsilon >0 gegeben. Nach der Definition des Infimums ist \inf(A)+\varepsilon dann keine untere Schranke von A. Das bedeutet, dass ein x\in A existiert, sodass x<\inf(A)+\varepsilon . Multipliziert man diese Ungleichung mit -1 so erhält man -x>-\inf(A)-\varepsilon . Es ist aber -x ein Element in -A, also kann -\inf(A)-\varepsilon keine obere Schranke von -A sein. Da unser \varepsilon beliebig gewählt war, folgt die gewünschte Gleichheit \sup(-A)=-\inf(A).
Hinweis:
Aus dieser Regel erhalten wir zwischen Supremum und Infimum die Zusammenhänge \sup(A)=\sup(-(-A))=-\inf(-A) und \inf(A)=-(-\inf(A))=-\sup(-A).

Supremum und Multiplikation mit einem nicht negativen Skalar

Satz:
Für \lambda \geq 0 gilt
\sup(\lambda A)=\sup(\{\lambda x:x\in A\})=\lambda \sup(A)
Beweis
Ist \lambda =0, so gibt es nicht viel zu zeigen, denn \lambda \cdot A=0\cdot A=\{0\} und \sup(\{0\})=0=0\sup(A).
Wir können also im Weiteren \lambda >0 voraussetzen. Für alle x\in A gilt x\leq \sup(A). Multiplikation der Ungleichung mit \lambda ergibt gerade \lambda x\leq \lambda \sup(A). Da aber alle Elemente von \lambda \cdot A von dieser Form sind, ist \lambda \sup(A) eine obere Schranke für \lambda \cdot A. Da jedoch das Supremum von \lambda \cdot A die kleinste aller oberen Schranken ist, folgt \sup(\lambda \cdot A)\leq \lambda \sup(A).
Sei nun \varepsilon >0 gegeben und wir definieren \varepsilon ':={\frac {\varepsilon }{\lambda }}. Dies ist erlaubt, da wir \lambda >0 voraussetzen. Nach der Definition des Supremums ist \sup(A)-\varepsilon ' dann keine obere Schranke von A. Das bedeutet, dass ein x\in A existiert, sodass x>\sup(A)-\varepsilon '. Multipliziert man diese Ungleichung mit \lambda so erhält man
\lambda x>\lambda \sup(A)-\lambda \varepsilon '=\lambda \sup(A)-\lambda {\frac {\varepsilon }{\lambda }}=\lambda \sup(A)-\varepsilon
Es ist aber \lambda x ein Element in \lambda \cdot A, also kann \lambda \sup(A)-\varepsilon keine obere Schranke von \lambda \cdot A sein. Da unser \varepsilon beliebig gewählt war, folgt die gewünschte Gleichheit \sup(\lambda \cdot A)=\lambda \sup(A).

Supremum und Summen

Satz:
Es ist
\sup(A+B)=\sup(\{x+y:x\in A\land y\in B\})=\sup(A)+\sup(B)
Beweis
Jedes Element z\in A+B besitzt die Form z=x+y für ein x\in A und ein y\in B. Nach der Definition des Supremums gilt x\leq \sup(A) und y\leq \sup(B). Addition der beiden Ungleichungen ergibt z=x+y\leq \sup(A)+\sup(B). Also ist \sup(A)+\sup(B) eine obere Schranke für A+B. Da jedoch das Supremum von A+B die kleinste aller oberen Schranken ist, folgt \sup(A+B)\leq \sup(A)+\sup(B).
Sei nun \varepsilon >0 gegeben und wir definieren \varepsilon ':={\frac {\varepsilon }{2}}. Nach der Definition des Supremums ist \sup(A)-\varepsilon ' dann keine obere Schranke von A und \sup(B)-\varepsilon ' keine obere Schranke von B. Das bedeutet, dass ein x\in A und ein y\in B existieren, sodass x>\sup(A)-\varepsilon ' und y>\sup(B)-\varepsilon '. Durch Addition beider Ungleichungen erhält man
x+y>\sup(A)+\sup(B)-2\varepsilon '=\sup(A)+\sup(B)-2{\frac {\varepsilon }{2}}=\sup(A)+\sup(B)-\varepsilon
Es ist aber x+y ein Element in A+B, also kann \sup(A)+\sup(B)-\varepsilon keine obere Schranke von A+B sein. Da unser \varepsilon beliebig gewählt war, folgt die gewünschte Gleichheit \sup(A+B)=\sup(A)+\sup(B).

Supremum und Produkte

Satz:
Falls A und B nur nicht negative Elemente enthalten, ist
\sup(A\cdot B)=\sup(\{x\cdot y:x\in A\land y\in B\})=\sup(A)\cdot \sup(B)
Beweis
Jedes Element z\in A\cdot B besitzt die Form z=x\cdot y für ein x\in A und ein y\in B. Nach der Definition des Supremums gilt x\leq \sup(A) und y\leq \sup(B). Multiplikation der beiden Ungleichungen ergibt z=x\cdot y\leq \sup(A)\cdot \sup(B). Also ist \sup(A)\cdot \sup(B) eine obere Schranke für A\cdot B. Da jedoch das Supremum von A\cdot B die kleinste aller oberen Schranken ist, folgt \sup(A\cdot B)\leq \sup(A)\cdot \sup(B).
Ist \sup(A)=0 oder \sup(B)=0, so folgt A=\{0\} oder B=\{0\}, denn es wurden alle Elemente aus A und B als nicht negativ also größer oder gleich Null vorausgesetzt. Damit folgt sofort \sup(A\cdot B)=0.
Im Folgenden kann man also \sup(A)>0 und \sup(B)>0 voraussetzen. Sei nun \varepsilon >0 gegeben. Dann können wir nach dem vorangehenden Satz ohne Probleme \varepsilon _{A}:={\frac {\varepsilon }{2\sup(B)}} und \varepsilon _{B}:={\frac {\varepsilon }{2\sup(A)}} definieren.
Nach der Definition des Supremums ist \sup(A)-\varepsilon _{A} dann keine obere Schranke von A und \sup(B)-\varepsilon _{B} keine obere Schranke von B. Das bedeutet, dass ein x\in A und ein y\in B existieren, sodass x>\sup(A)-\varepsilon _{A} und y>\sup(B)-\varepsilon _{B}. Durch Produktbildung beider Ungleichungen erhält man
x\cdot y>(\sup(A)-\varepsilon _{A})\cdot (\sup(B)-\varepsilon _{B})=\sup(A)\cdot \sup(B)-{\frac {\varepsilon }{2\sup(B)}}\cdot \sup(B)-{\frac {\varepsilon }{2\sup(A)}}\cdot \sup(A)+\varepsilon _{A}\cdot \varepsilon _{B}=\sup(A)\cdot \sup(B)-{\frac {\varepsilon }{2}}-{\frac {\varepsilon }{2}}+\varepsilon _{A}\cdot \varepsilon _{B}=\sup(A)\cdot \sup(B)-\varepsilon +\varepsilon _{A}\cdot \varepsilon _{B}>\sup(A)\cdot \sup(B)-\varepsilon
Man beachte das >-Zeichen im letzten Schritt. Hierbei wurde \varepsilon _{A}\cdot \varepsilon _{B}>0 verwendet. Nun ist x\cdot y ein Element in A\cdot B, also kann \sup(A)\cdot \sup(B)-\varepsilon keine obere Schranke von A\cdot B sein. Da unser \varepsilon beliebig gewählt war, folgt die gewünschte Gleichheit \sup(A\cdot B)=\sup(A)\cdot \sup(B).

Supremum der Summe zweier Funktionen kleiner gleich der Summe der Suprema dieser Funktionen

Satz:
Es gilt \sup(f+g)(D)=\sup(\{f(t)+g(t):t\in D\})\leq \sup f(D)+\sup g(D)
Beweis
Es gilt
{\begin{aligned}&\sup(f+g)(D)\\[0.3em]=\ &\sup(\{f(t)+g(t):t\in D\})\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ \sup A\leq \sup B{\text{ für }}A\subseteq B\right.}\\[0.3em]\leq \ &\sup(\{f(t)+g(s):t,s\in D\})\\[0.3em]=\ &\sup(\{a+b:a\in f(D),b\in g(D)\})\\[0.3em]&{\color {OliveGreen}\left\downarrow \ \sup(A+B)=\sup A+\sup B\right.}\\[0.3em]=\ &\sup f(D)+\sup g(D)\end{aligned}}

Existenz einer Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} in A mit \lim _{{n\to \infty }}a_{n}=\sup A

Satz:
Wenn \sup A existiert, dann gibt es eine Folge (a_{n})_{{n\in \mathbb{N} }} in A mit \lim _{{n\to \infty }}a_{n}=\sup A.
Beweis
Wir erinnern und an den zweiten Teil der Definition des Supremums, die Epsilon-Definition: Für alle \epsilon >0 gibt es ein a\in A mit a+\epsilon >\sup A.
Folglich gibt es für alle n\in \mathbb{N} ein a_{n}\in A mit a_{n}+{\tfrac {1}{n}}>\sup A. Da alle a_{n} aus A sind, gilt auch a_{n}\leq \sup A. Damit ergibt sich für alle n\in \mathbb{N} :
{\frac {1}{n}}>\sup A-a_{n}\geq 0
Nach dem Sandwichtheorem gilt also \lim _{{n\to \infty }}a_{n}=\sup A.